Thüringer Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen
(Thüringer Behindertengleichstellungsgesetz – ThürBGleichG)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, speziell der Fraktion DIE LINKE, als ich den Titel des Gesetzentwurfs gelesen habe, habe ich gedacht, dass es ein paar interessante und vielleicht auch nachvollziehbare, auch unterstützenswerte Vorschläge gibt. Die Situation ist ja nun nicht so, dass sie ganz schlecht ist, das gehört zur Wahrheit, aber nichts ist so gut, dass es nicht noch besser gemacht werden könnte. Aber als ich dann den Inhalt etwas näher betrachtet habe, stellte ich fest, dass der Eindruck der Überschrift getrogen hat.

Ich denke auch - das ist auch schon einmal angeklungen bei meinem Kollegen Grob -, Sie wissen ganz genau, dass in vielen Punkten Ihre Forderungen völlig überzogen sind, zumal ich es auch nicht unbedingt sehr seriös finde, wenn die Landesregierung, und nicht erst einmal, gesagt hat, dass sie an dem Entwurf eines Gesetzes arbeitet. Ich glaube, wenn man es wirklich seriös und auch realistisch angehen wollte, dann würde man das zusammen machen. Das haben wir schon mehrmals gemacht, dass man auch im Ausschuss sowohl Gesetzentwürfe der Opposition als auch der Landesregierung zusammen beraten hat. Ich glaube, das ist einmal mehr wieder das alte Strickmuster, dass man in die Öffentlichkeit geht und sagt: Wir sind die Guten und wir sind die, die sich um euch kümmern; alle anderen machen das nicht. Auch das finde ich unredlich und unseriös, denn das haben die Betroffenen nicht verdient.

Ich würde gern an drei Punkten auch einmal unsere Kritik deutlich machen. Zum einen fordern Sie, die Gebärdensprache als Amtssprache einzuführen. Um Ihnen vielleicht einmal die Tragweite Ihrer Forderung vor Augen zu führen, darf ich Ihnen einmal § 23 des Verwaltungsverfahrensgesetzes zitieren, dort steht geschrieben: „Werden bei einer Behörde in einer fremden Sprache Anträge gestellt und Eingaben, Belege, Urkunden oder sonstige Dokumente vorgelegt, soll die Behörde unverzüglich die Vorlage einer Übersetzung verlangen. In begründeten Fällen kann die Vorlage einer beglaubigten oder von einem öffentlich bestellten oder beeidigten Dolmetscher
oder Übersetzer angefertigten Übersetzung verlangt werden. Wird die verlangte Übersetzung nicht unverzüglich vorgelegt, so kann die Behörde auf Kosten des Beteiligten selbst eine Übersetzung beschaffen. Hat die Behörde Dolmetscher oder Übersetzer herangezogen, erhalten diese in entsprechender Anwendung des Justizvergütungsund -entschädigungsgesetzes ... eine Vergütung.“ So weit § 23 Verwaltungsverfahrensgesetz. Da ja bekanntermaßen, wenn ich Ihre Forderung richtig interpretiere, dann jede Behörde verpflichtet ist, in der Amtssprache kommunizieren zu können, und zwar immer und überall, würde dies bedeuten, dass eine unüberschaubare Stellenzahl an Gebärdendolmetschern zu schaffen wäre. In Zeiten von Stellenabbau und in Zeiten des Kampfes um jeden Lehrer und um jede Professorenstelle ein Wunsch, der durch niemanden, auch nicht von Ihnen, zu erfüllen wäre. Auch da bin ich wieder bei unredlich und unseriös. Sie fordern des Weiteren ein Verbandsklagerecht. Jeder, der so in etwa eine Ahnung hat, was das für Auswirkungen hätte, weiß, dass zum Beispiel jedwede Bautätigkeit in Thüringen blockiert wäre.

Entscheidungsfindungen würden blockiert werden, wenn Verbände das Recht hätten, bei jeder betreffenden Sache zu klagen. Politische Mehrheiten, liebe Kollegen der LINKEN, die letztlich die Demokratisierung von Entscheidungswegen bedeuten, wären damit ad absurdum geführt. Mehrheiten entscheiden sich nämlich bei Wahlen und nicht aufgrund von Einzelinteressen. Ich denke, jeder, der in einem Kommunalparlament sitzt, weiß, was ich meine. Im Übrigen bedarf es dessen auch gar nicht, da bereits heute bei Nichtbeachtung fundamentaler Rechte von Gruppen und Einzelpersonen das Verfassungsgericht kostenlos angerufen werden kann. Sie fordern des Weiteren - und da bin ich mir gar nicht sicher, ob ich das nun lustig finden soll oder ob ich es einfach nicht verstehe - die weitere Schaffung eines Beauftragten. Jetzt bitte ich Sie mal genau zuzuhören. Wir alle wissen, wir haben einen Behindertenbeauftragten. Dr. Brockhausen sitzt heute hier, herzlich willkommen, viel Spaß bei der Debatte. Und wir haben eine Gleichstellungsbeauftragte. Nun soll noch ein Beauftragter für die Gleichstellung für Menschen mit Behinderung geschaffen werden. Ich wiederhole es noch mal: Beauftragter für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung. Jetzt habe ich mich gefragt, was macht denn der anders als die zwei, die es jetzt schon gibt? Ich glaube, das können Sie mir mit Ihrem Gesetzentwurf auch nicht erklären. Ich will es Ihnen vielleicht noch mal erklären, oder zumindest versuchen, denn auch heute können sich behinderte Frauen an die Gleichstellungsbeauftragte wenden. Sie sprechen zum Beispiel davon, dass behinderte Frauen gleich einer doppelten Diskriminierung ausgesetzt sind. Sollten sie wegen ihrer Behinderung benachteiligt werden, können sie sich selbstverständlich auch an Dr. Brockhausen wenden. Sie sehen, aus meiner Sicht braucht es keinen neuen Beauftragten. Die Beauftragten sind da, die haben ihr Aufgabengebiet und genau dafür sind sie auch zuständig. Ich glaube, damit soll es auch gut sein. Das Beauftragtenwesen muss man nicht noch mehr ausufern. Da rede ich noch nicht einmal über das Geld, sondern es ist einfach überflüssig, so wie ein Kropf.

Ganz zum Schluss - das hat mich schon ein bisschen traurig gemacht, da bin ich wieder am Anfang-, ich glaube, mit diesem Gesetzentwurf wecken Sie zum einen Hoffnungen, die niemand hier in diesem Hohen Hause, Sie auch nicht, erfüllen kann. Das - da bin ich wieder bei meinem Anfang - ist aus meiner Sicht unseriös und unredlich. Das dient überhaupt nicht dazu, sich bestehenden Problemen anzunehmen und diese zu lösen. Vielen Dank

10.06.2013 2868