Pflegebranche stärken und dem Pflegemangel begegnen!

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben es hier mit einem Antrag zu tun, der - das will ich zugestehen - Gutes will, aber keineswegs schafft. Der Antrag der GRÜNEN ist aus unserer Sicht nicht dazu geeignet, wie in der Überschrift verlautbart, die Pflegebranche zu stärken und dem Pflegemangel zu begegnen. Ich will Ihnen das auch gern begründen. Beginnen will ich mit dem Punkt 2 Ihres Antrags. Sie fordern hier, ein Pflegemonitoring einzuführen. Ich frage mich, Frau Siegesmund, wozu Sie dieses brauchen, außer dass Sie Ihrem alten Irrweg anhängen, dass der Staat der bessere Planer sei als die vielen Unternehmen und potenziellen Mitarbeiter.

Wenn es Ihnen auf die Übersicht der Entwicklung des Fachkräftebedarfs ankommen würde, dann kann ich Sie beruhigen. Diese Daten liegen nämlich allesamt bereits vor. Das Thüringer Landesamt für Statistik gibt auf seiner Internetpräsenz detaillierte Informationen darüber, wie viele Pflegebedürftige und Pflegeeinrichtungen es in den einzelnen Landkreisen gibt. Damit lässt sich problemlos ein Index, wie viele Pflegebedürftige auf wie viele Pflegeeinrichtungen für alle Thüringer Regionen benötigt werden, errechnen. Weiterhin werden diese Informationen in einer gesonderten Tabelle im Zwei- Jahres-Abstand vom TLS bereitgestellt, so dass sich auch hier sowohl ein zeitlicher Trend der Pflegebedürftigen als auch der Pflegeeinrichtungen in Thüringen nachvollziehen und für die Zukunft erahnen lässt. Auch die Bundesagentur für Arbeit kann Ihnen auf Nachfrage, Frau Siegesmund, problemlos Auskünfte über die von einem Pflegemonitoring erfassten Probleme preisgeben. Sehen Sie sich einfach hier die Jobbörsen und Übersichten über die Einzelberufe an, da haben Sie alles, was Sie brauchen. Warum jedoch, womöglich auch noch vom Sozialministerium, hier ein jährlicher Bericht den regionalen Bedarf noch einmal extra erfassen soll, erschließt sich mir nicht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch die Forderung nach einer Pflegekammer sehe ich sehr skeptisch. Dazu will ich Ihnen mal ein paar Punkte aufzeigen, die das verdeutlichen sollen.

1. Zwar haben die Berufsverbände im Jahr 2009 die Schaffung von Pflegekammern als Körperschaften des öffentlichen Rechts im Sinne der Selbstverwaltung gefordert, jedoch ist zu beachten, dass die Berufsverbände in Deutschland weniger als 1 Prozent der Pflegekräfte vertreten. Das heißt, über 99 Prozent der Pflegekräfte wurden also gar nicht in die Diskussion einbezogen.

2. Obwohl die niedrige Entlohnung in der Pflegebranche einer der Hauptgründe für die Unattraktivität des Pflegeberufs ist, hätten auch da die Pflegekammern keinen Einfluss auf dieses Problem, da Tarifverhandlungen ausschließlich den Tarifpartnern obliegen.

3. Da der Großteil der Pflegenden im Angestelltenverhältnis beschäftigt ist, ist die Einführung von Punkteregelungen analog der Ärztekammer ebenfalls nicht notwendig.

4. Zur Erreichung der Qualitätsverbesserung bestehen bereits seit 2008 Expertenstandards vom Deutschen Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege.

5. Die korrekte Berufsausübung bedarf der gesellschaftlichen Kontrolle und unabhängiger Gerichte, die die Einhaltung von Gesetzen und Vorschriften zu überwachen haben. Das Disziplinarrecht dem Berufsstand zu überlassen, würde sich in der Qualitätssicherung bestenfalls wenig bemerkbar machen.

6. Natürlich ist es ein Ziel von elementarer Bedeutung, eine sachgerechte, professionelle Pflege sicherzustellen, jedoch könnten das die Pflegekammern auch nicht besser regeln als die staatlichen Stellen, die derzeit dafür eingesetzt sind, da es ja nicht an wissenschaftlichen Erkenntnissen in der Pflegewirtschaft mangelt, sondern an der Möglichkeit, diese aufgrund von Rahmenbedingungen in der Praxis umzusetzen. Also, wir sehen, so einfach ist das Leben nicht, wie es die GRÜNEN uns gern hier wieder weiszumachen versuchen.

Aus unserer Sicht ist und bleibt dies die Entscheidung der handelnden Akteure. Zu einem Punkt, und zwar Punkt 4 des Antrags, möchte ich allerdings doch noch kommen. Ich weiß ja nicht, welche Substanz Ihnen hilft bei Antragserstellung. Dass es in der Pflege oft von der Tatsache her, dass mehr Frauen als Männer in der Pflege tätig sind, eine Geschlechterungerechtigkeit gibt, das ist aus meiner Sicht schon sehr weit hergeholt. Ja, das sieht man auch. Damit ist also Ihrer Ansicht nach in jedem Beruf, in dem auch nur ein Mann oder eine Frau mehr oder weniger arbeitet, geschlechterdiskriminierend?

Wollen Sie tatsächlich für alles und jedes eine 50-Prozent-Quote einführen? Das ist doch absurd, Frau Siegesmund. Wollen Sie wirklich die Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger auf freie Berufswahleinschränken, scheinbar - und das ist die logische Folge, Frau Siegesmund - kennen Sie auch die Konzepte der Diversität gerade in der Geschlechterforschung und -förderung nicht. Man kann zwar gern eine Imagekampagne für die Pflegeberufe starten, das ist auch wichtig und das Ministerium macht es auch bereits, aber wenn, dann mit einem realistischen Ziel, junge Menschen, und zwar egal welchen Geschlechts, vom Berufsbild der Pflege zu begeistern und nicht um Ihren ideologischen Wertvorstellungen zu entsprechen.

Der entscheidende Punkt kann jedoch durch keinen Antrag - und ich betone -, durch keinen Antrag eines Landtags und schon gar nicht mit dem hier vorliegenden gelöst werden, und zwar ist das die Vergütungsfrage. Diese ist - und das soll nach unserer Ansicht auch bleiben - durch die Akteure, die Krankenkassen und die Arbeitgeber zu verhandeln. Ich bin mir sehr sicher, dass gerade die Krankenkassen die Problematik und die Dramatik der Situation erfasst haben. An dieser Stelle bin ich, sind wir ganz optimistisch. Sie sehen, aus den genannten Gründen haben wir keine Veranlassung und werden das auch nicht tun, Ihrem Antrag zuzustimmen. Vielen Dank!

23.02.2013 2816