Zähne retten - Zähne schützen: Zahnrettungsboxen an Thüringer Schulen flächendeckend einführen

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, manchmal sind gerade die Dinge von großer Bedeutung, die bei flüchtiger Betrachtung zunächst als das genaue Gegenteil erscheinen. Politik hat nach unserer Auffassung nicht die Pflicht, nur in abstrakten Kategorien oder großen gesellschaftlichen Leitbildern zu denken und zu sprechen.

Politik wird auch dann spürbar, wenn aus Gesagtem konkretes Handeln wird. Politik muss sich auch und gerade an dem messen lassen, was sie tut, und nicht nur daran, was sie will. So verstehen wir liberale Politik und unseren Auftrag in diesem Parlament. So verstehen wir auch diesen Antrag. Lassen Sie mich Ihnen unseren vorliegenden Antrag begründen. Ich will dies anhand von drei verschiedenen Begründungsebenen versuchen, zum einen die medizinische Notwendigkeit, zum anderen die Begrenzung auf den Geltungsbereich Schule sowie auf die Frage, weshalb wir dabei die Landesregierung in der Pflicht sehen. Unfälle mit Zahnschäden passieren in Schulen und besonders im Sportunterricht gar nicht so selten.

Fast ein Drittel aller Kinder und Jugendlichen in Europa bis zum 16. Lebensjahr hat einen Zahnunfall. Diese Fallzahlen sind steigend. Dies hat umso größere Bedeutung, als dass vor allem die wichtigen oberen Schneidezähne betroffen sind. Deren Fehlen ist besonders auffällig und somit belastend für Heranwachsende. Dank moderner Adhäsivtechniken können Kronenfrakturen in den meisten Fällen dauerhaft und kosmetisch zufriedenstellend repariert werden. Der Verlust eines kompletten Zahnes dagegen ist ein schwerwiegendes Ereignis für die betroffenen Personen. Doch so weit muss es nicht kommen. Ausgeschlagene Zähne können erfolgreich in den Kiefer wieder eingepflanzt werden. Voraussetzung ist, dass das Gewebe, das der Wurzel des ausgeschlagenen Zahnes anhaftet, keinen Schaden nimmt und die Behandlung rechtzeitig erfolgen kann. Die Zahnrettungsbox - ich habe Ihnen mit Genehmigung der Präsidentin mal ein Exemplar mitgebracht - bietet dabei die bestmögliche Chance, dass ein ausgeschlagener Zahn wieder eingesetzt werden darf. Denn bei unsachgemäßer Aufbewahrung kann es zu schwerwiegenden Komplikationen kommen, die eine Einheilung bzw. Erhaltung des Zahns unmöglich machen. Wie lange die zahnzementbildenden Zellen in unterschiedlicher Umgebung überleben, ist umfangreich untersucht worden. Wird ein Zahn beispielsweise in einem Taschentusch aufbewahrt und trocknet aus, so sind nach 30 Minuten alle Zellen tot. Der Zahn geht unrettbar verloren. Die Erhaltung des natürlichen Zahnes dagegen verhindert große Folgekosten. Bei derzeit knapp 1.000 Schulen in Thüringen würden dem Landeshaushalt einmalig Kosten in Höhe von ca. 20.000 € zufallen.

Wenn man allerdings bedenkt, dass die Unfallkassen bei Zahntraumata mit Behandlungs-und Folgekosten pro Fall zwischen 10.000 € und 15.000 € ausgehen, kann man sich leicht errechnen, dass mithilfe von diesen Zahnrettungsboxen, abgesehen von der professionellen Erstversorgung, enorme Kosteneinsparungen möglich sind. Die Unfallkasse Baden-Württemberg spricht dabei von ca. 2.000 Fällen pro Jahr, was allein in diesem Bundesland die zuständige Unfallkasse mit ca. 30 Mio. € belastet. In Sachsen geht die Unfallkasse von ca. 600 Fällen im Jahr aus. Auch hier kann man sich die Belastung für die zuständige Unfallkasse leicht ausrechnen. Daran sehen Sie, meine Damen und Herren, dass das von mir an den Anfang gestellte Credo, dass die vermeintlich kleinen Dinge durchaus große Wirkung besitzen, gerade für diesen Antrag gültig ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte nun erklären, weshalb wir uns bei der Einführung der Zahnrettungsboxen auf die Örtlichkeit Schule begrenzen. Denn es ist ja augenscheinlich, dass Zahnunfälle auch in Schwimmbädern und Vereinen passieren können. Richtig, auch in Kindergärten. Allerdings sind wir als Liberale der Auffassung, dass der Staat lediglich die Sphäre zu sanktionieren hat, die in seinem Verantwortungsbereich liegt. Im Gegensatz zum Kindergarten, wo ich mir schwer vorstellen kann, dass ein Kind in diesem Alter schon die zweiten Zähne hat, ist die Schule explizit dafür verantwortlich. Es wird schnell deutlich, worin da der Unterschied liegt.

Während der Besuch im Schwimmbad und im Sportverein in der Freizeit und damit in die Sphäre des Privaten fällt, stellt es sich aus unserer Sicht durch die Schulpflicht explizit anders dar. Daher kann und soll der Gesetzgeber den bestmöglichen Schutz für die Kinder gesetzlich fixieren. Dazu gehört unserer Meinung nach auch eine Zahnrettungsbox als Teil der Notfallausstattung an Schulen. Zu guter Letzt möchte ich die Frage klären, weshalb wir hier die Landesregierung in der Pflicht sehen. Zu guter Letzt will ich die Frage klären, ich wiederhole es noch einmal, auch wenn es die Frau Taubert relativ lustig findet, weshalb wir hier die Landesregierung in der Pflicht sehen. Ich habe eben schon deutlich gemacht, dass die vermeintliche Kleinigkeit Zahnunfall relevante systemische Auswirkungen hat. Dennoch hat die Unfallkasse Thüringen bis jetzt noch keinerlei Versuche gemacht, freiwillig die Schulen damit auszustatten.

Anders als ihre Schwesternkassen in Hessen, Sachsen und Baden-Württemberg ist uns auch nicht bekannt, dass sie in Zukunft solches plant. Ich denke, gerade Hessen und Sachsen können hier sowohl für die Landesregierung als für die hiesige Unfallkasse Vorbild sein. Vielen Dank.

15.09.2010 3255