Sozialpolitik

Matschie: Die CDU muss sich entscheiden, was sie will - Auch bundespolitisches Signal

Von Hartmut Kaczmarek

Erfurt. Im Streit um das Betreuungsgeld auf Bundesebene wird immer auf Thüringen Verwiesen. Das Landeserziehungsgeld, das hier seit vielen Jahren gezahlt wird, hat sich vor allem die bayerische CSU als eines der Vorbilder genommen, nach dem auch auf Bundesebene Betreuungsgeld an Familien gezahlt werden soll, die ihre Kinder nicht in die Kita schicken, sondern zu Hause erziehen.
Für SPD-Landeschef Christoph Matschie ist allerdings klar, dass sich das Land diese Leistung, die von der CDU-Alleinregierung unter Dieter Althaus ins Leben gerufen wurde, nicht mehr länger leisten kann. 30 Millionen muss der Finanzminister Jahr für Jahr als Leistung in den Etat einstellen - Geld, das nach Meinung der Sozialdemokraten an anderer Stelle viel dringender gebraucht wird: im Kita-Bereich. Hier hat Thüringen zwar bundesweit eine Vorreiterstellung, verzeichnet man ausgesprochen hohe Betreuungsquoten, die auch immer wieder hervorgehoben werden, gibt es den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz ab dem 1. Geburtstag - aber all das kostet auch Geld. Die Kosten werden weiter steigen. Matschie verweist auf wachsende Betreuungszahlen und Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst, die erhebliche Löcher in die staatlichen Kassen reißen werden. Beides zusammen - einen hohen Kita-Standard und das Landeserziehungsgeld - könne sich Thüringen nicht mehr leisten, ist Matschie überzeugt.

Widerstand aus der CDU

Beim Koalitionspartner CDU stößt die SPD noch auf erbitterten Widerstand mit diesem Verstoß. Allerdings ist der SPD-Chef überzeugt, dass der beim Blick auf die Haushaltszahlen der nächsten Jahre mit den prognostizierten deutlichen Mindereinnahmen bröckeln wird. "Die CDU muss sich entscheiden, was sie will. "Wenn die Partei einen ausgeglichenen Haushalt anstrebe, komme sie um klare Entscheidungen nicht herum.
Und eine andere Möglichkeit, den Kita-Bereich ausreichend zu finanzieren, lehnt Matschie eindeutig ab: "Wir dürfen die Eltern nicht weiter belasten." Für die Thüringer Union hat aus seiner Sicht das Erziehungsgeld vor allem einen ideologischen Hintergrund. Er sieht dahinter noch immer die Wunschvorstellung, dass die Mütter länger zu Hause bleiben. Die SPD-Alternative ist klar: Das Geld soll in den Kita-Bereich fließen, um den hohen Status Quo auch in Zukunft gewährleisten zu können.
Sehr zupass bei seinem Verstoß kommt Matschie natürlich die derzeit laufende Debatte auf Bundesebene. Er macht keinen Hehl daraus, dass er mit dem Vorhaben, das Landeserziehungsgeld zu kippen, auch ein bundespolitisches Signal geben will. Thüringen sei der beste Beweis für, dass eine gute Kita-Struktur und Betreuungsgeld gemeinsam auf Dauer nicht zu finanzieren sei.
Matschies Verstoß findet bei der Opposition Zustimmung. "Vielleicht kommt die SPD ja langsam zur Vernunft", sagt die grüne Fraktionsvorsitzende Anja Siegesmund. "Offenbar brauchte es den Warnschuss des Finanzministers mit der Bewirtschaftungsreserve, um der SPD die Augen zu öffnen." Sie baut darauf, dass die Sozialdemokraten in Thüringen endlich die richtigen Prioritäten in der Familien- und Sozialpolitik setzen werden. Die grüne Politikerin wartet jetzt auf konkrete Initiativen der Sozialdemokraten und bietet an, nochmals den grünen Antrag auf Abschaffung des Erziehungsgeldes ins Plenum einzubinden. "Dann könnte die SPD Zeit und Arbeit sparen."
Auch die Freien Demokraten stehen hinter dem Vorschlag von Matschie: "Schön, dass sich die SPD wieder an ihre Wahlversprechen erinnert", so der Sozialpolitiker Marian Koppe. Die FDP hatte mehrmals die Abschaffung gefordert.



25.04.2012 Thüringische Landeszeitung