Gesundheitspolitik

von Elmar Otto

FDP und SPD streiten über Versorgungsgrad und Kompetenzen

Erfurt. -Marian Koppe lässt keinen Zweifel daran, wo für ihn die Verantwortlichen sitzen. "Es ist fünf vor zwölf für neue Konzepte der Landesregierung", mahnt der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion. Hintergrund sind die Berechnungen der Kassenärztlichen Vereinigung, denen zufolge deutschlandweit bald nicht sechs-, sondern rund zwölftausend Ärzte fehlen werden. "Für Thüringen bedeutet das ganz konkret, dass wir über 3000 Haus- und Klinikärzte brauchen werden", rechnet Koppe vor. Vor allem der demografische Faktor ist aus seiner Sicht bislang vernachlässigt worden. "Wenn die Bevölkerung insgesamt älter wird, werden natürlich auch Ärzte älter. Gerade das wird in den nächsten fünf Jahren ein Problem werden", befürchtet Koppe. Immer mehr Ärzte fänden nämlich beim Schritt in den Ruhestand keine Nachfolger mehr. Zu unattraktiv sei der Arztberuf mittlerweile geworden, weil er mit Bürokratie, Überstunden und sinkenden Einkommen belastet sei.Auch das bestehende Stipendiensystem greife zu kurz, kritisiert der Liberale, weil es nur Mitnahmeeffekte erzeuge: "Die Idee Medizinstudenten finanziell unter die Arme zu greifen, ist zwar richtig. Wenn dann die fertigen Ärzte aber in andere Bundesländer abwandern, haben wir nur Thüringer Steuergeld ausgegeben", sagt Koppe und erneuert seine Forderung an Sozialministerin Heike Taubert (SPD), eine Task-Force einzusetzen, die sich mit dem Thema auseinandersetzt.

Nicht nur im ländlichen Raum gibt es Bedarf

Im Sozialressort gibt man sich über die Äußerungen Koppes mehr als verwundert. "Sie zeugen von einer völligen Fehleinschätzung der Sach- und Rechtslage", sagt Taubert. Mit der Eineinbeziehung des sogenannten Demografiefaktors habe die assenärztliche Vereinigung einen Bedarf von 341 Hausärzten in Thüringen errechnet. Allerdings beziehen sich die Zahlen auf einen Versorgungsgrad von 110 Prozent. Koppes Einschätzung, dass diese Ärzte hauptsächlich im ländlichen Raum benötigt würden, sei ein Fehlschluss. "Auch in Erfurt sind nach neuem Verrechnungsmodus 21 Hausarztsitze frei und könnten sofort besetzt werden", sagt Taubert. Um sich stärker zu engagieren und sich gegen eine Unterversorgung zu wehren, habe Thüringen wie auch die anderen Länder mehr Mitspracherecht bei der ambulanten ärztlichen Versorgung gefordert. Derzeit würden diese Vorschläge aber durch Koppes Parteifreund, Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler, noch blockiert. Die Kritik Koppes an einer finanziellen Unterstützung von Medizinstudenten wird nach Aussage von Taubert indes geteilt. Aber gerade deshalb unterstütze der Freistaat ja über die "Stiftung zur Förderung ambulanter ärztlicher Versorgung in Thüringen" Ärzte in der Weiterbildung. Und eine Bedingung für das Thüringen Stipendium sei die Verpflichtung der Stipendiaten, mindestens 4 Jahre in Thüringen zu bleiben. Rückendeckung bekommt Taubert vom SPD-Gesundheitsexperten und Mediziner Thomas Hartung. Gesundheitspolitik werde in erster Linie in Berlin gemacht. So lange aber der Bundesgesundheitsminister den Landesregierungen beinahe nur die Verwaltung des Mangels überlasse, täte Koppe gut daran, weniger zu polemisieren, sagt Hartung.

11.03.2011 TLZ - Thüringische Landeszeitung