Gesundheitspoltiker Marian Koppe im TZB-Interview
Herrn Koppe auf den Zahn gefühlt
Herrn Koppe auf den Zahn gefühlt

Der Landtagsabgeordnete und gesundheitspolitische Sprecher der FDP, Marian Koppe, weilte auf eigenen Wunsch zu einem Praktikumstag in einer Zahnarztpraxis. Hier ergab sich die gute Gelegenheit, Fragen an ihn zu stellen. Das tzb hatte im Sommer 2009 in seinen Wahlprüfsteinen die fünf Parteien CDU, SPD, Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen und Ihre FDP gefragt, welche Rolle die Freiberufler, also auch wir Zahnärzte, für die wirtschaftliche Entwicklung spielen. Hat sich daran aus heutiger Sicht etwas geändert?

Koppe: Nein, nicht im Geringsten. Freiberufler bilden eine entscheidende Säule des Wirtschaftssystems. Ohne sie wäre in Thüringen die wirtschaftliche Aufholjagd der letzten 20 Jahre undenkbar gewesen. Es sind doch nicht zuletzt die Freiberufler, die täglich Verantwortung übernehmen - für sich, ihre Geschäftsidee, an die sie glauben, und all die Arbeitsplätze, die daraus entstehen. Die Thüringer Zahnärzte spielen zudem eine wichtige Rolle bei der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Sie bilden gemeinsam mit den freiberuflichen Ärzten das Rückgrat für eine flächendeckende medizinische Versorgung unserer Bevölkerung. Deshalb ist es das Ziel der FDP, die Zahnärzte in Thüringen nicht nur zu unterstützen, sondern auch zu fördern.



Weder vom versprochenen Ost-West-Angleich der Honorare noch von der Abschaffung der Budgetierung können wir Zahnärzte bis zum heutigen Tage etwas spüren. Wie sehen Sie die Chancen, mit einem FDPGesundheitsminister an der Spitze, dass es Änderungen geben wird?

Koppe: Da haben Sie sicher recht. Aber wir regieren schließlich nicht alleine. Dass es überhaupt zu einer stärkeren Angleichung kommt - auch gegen die harten Widerstände der Zahnärzteschaft-West und Bayerns - ist vor allem der FDP zu verdanken. Gerade wir Thüringer Liberale haben uns massiv dafür eingesetzt. 20 Jahre nach der Wende, bei stärker werdendem Fachkräftemangel und anhaltender Abwanderung aus den ostdeutschen Ländern, können wir uns diese Ungleichheit auch nicht länger leisten. Dass diese Botschaft in Berlin ankommt und die versprochene komplette Angleichung in dieser Legislatur doch noch kommt, bleibt das Ziel gerade der Thüringer FDP.

Große Probleme beim Finden von Nachwuchs im mittleren medizinischen Bereich und auch bei Absolventen des Zahnmedizinstudiums bestehen im Osten. In Thüringen ist bei Zahnärzten im Moment noch kein Mangel wie bei Allgemeinmedizinern zu spüren. Die demographische Entwicklung zeigt aber schon in 10 Jahren altersbedingt das Fehlen eines Drittels der jetzigen niedergelassenen Zahnärzte. Was ist dagegen zu tun?

Koppe: Zuallererst benötigen wir Rahmenbedingungen, die es ermöglichen, als kleiner Freistaat überhaupt gegen andere Bundesländer im Werben um Fachkräfte konkurrieren zu können. Dazu zählt natürlich insbesondere eine angemessene Vergütung. Denn gerade eine flächendeckende, qualitativ hochwertige ärztliche Versorgung ist der Grundstein für ein lebenswertes Thüringen. Wir sind von der Natur reich beschenkt, haben eine großartige Kulturlandschaft, tolle Städte und liebenswerte Menschen. Jetzt gilt es, die Vorzüge Thüringens auch darzustellen. Wir müssen den Nachwuchs halten und neue Fachkräfte gewinnen. Kein ganz leichtes Unterfangen für die Politik - aber nötig und möglich.

Ihre Bundesjustizministerin S. Leutheusser-Schnarrenberger hat auf dem Deutschen Anwaltstag eine Erhöhung der Rechtanwaltsgebühren noch in diesem Jahr zugesagt. Das ist eine weitere Erhöhung nach 7 Jahren. Wir warten seit 23 Jahren darauf. Jetzt werden in der Öffentlichkeit prognostizierte 6 % GOZ-Erhöhung als "Unverschämtheit der zahnärztlichen Forderung" gegenüber Patienten dargestellt. Ihre Meinung dazu?

Koppe: Nun ja, da sprechen Sie ein wichtiges Thema an. Es gibt aus meiner Sicht keinen ernst zu nehmenden Grund, sich einer Überarbeitung und Anpassung der GOZ zu widersetzen. Ich werbe seit geraumer Zeit dafür. Politik heißt aber nach Max Weber auch "dicke Bretter zu bohren". Man muss immer wieder Zusammenhänge erklären. Ich bin da mittelfristig aber optimistisch. Was glauben Sie, was Gewerkschaften anstellen würden, wenn man die Grundlagen der Vergütung ihrer Mitglieder auf das Jahr 1988 zurückdrehen würde? Ich will mir nicht vorstellen, was dann in Deutschland los wäre. Aber - als Liberaler kenne ich das aus eigener Erfahrung - die mediale Öffentlichkeit ist nicht immer an Zusammenhängen und objektiven Tatbeständen interessiert. Man sollte dem aber nicht ausweichen, sondern - gerade durch die Zahnarztverbände - immer wieder auf die eigene Position argumentativ verweisen. Nur so können Verständnis und durchsetzungsfähige Mehrheiten wachsen.

Beim ehemaligen Staatssekretär, jetzigen Bundesgesundheitsminister D. Bahr, hörte ich in einer Podiumsdiskussion gewisse Sympathien zu MVZs. In einer Pressemitteilung vom April dieses Jahres kritisieren Sie ganz heftig den SPD-sozialpolitischen Sprecher Hartung für seine positive Äußerung zur Einweisungspraxis bzw. zum Erstkontakt, der direkt ins Krankenhaus führt. In Thüringen gibt es Zahnärzte in eigener Niederlassung und Anstellung in einem Krankenhaus, für die daraus auch "paradiesische Zustände"(PM v. 28.04.211) entstehen könnten. Möchte Ihre Partei dieses vielleicht doch?

Koppe: Moment, es geht hier nicht um die Beschäftigungsart des einzelnen Arztes, sondern um etwas Grundsätzliches. MVZs können tatsächlich eine Bereicherung für die Versorgungslandschaft darstellen. Da gehe ich mit. Was aber nicht sein kann - und was ich dem sozialdemokratischen Kollegen auch vorgehalten habe ist, dass hier verschiedene Akteure auf Kosten der Freiberuflichkeit schlichtweg ihre Marktanteile ausbauen. Wenn MVZs durch Kliniken geführt werden, kann sich jeder vorstellen, wie das endet. Da wird dann ganz nach den Ressourcen des eigenen Hauses behandelt. Es würde eine Versorgungskette geschaffen, in der vom ambulanten Erstkontakt, über die OP´s bis zur Reha nur ein einziger Träger profitieren würde. Wer so etwas will, kann das Primat "ambulant vor stationär" ad acta legen und das Gesundheitssystem gleich regional monopolisieren. Dass es diese Tendenzen gibt, wird in Thüringen bereits deutlich. Im Wartburgkreis beispielsweise will ein Träger eines Klinikums gleich mehrere MVZs eröffnen. Das wäre das Ende von Effizienz im Gesundheitssystem. Das geht mit uns nicht. Deshalb haben wir auch auf Bundesebene dafür gesorgt, dass ein Krankenhausträger nunmehr kein MVZ mehr führen darf.

Herr Koppe, ich weiß, dass Sie sich ganz stark für die Zahnrettungsbox in Kindergärten, Grund- und Regelschulen sowie Gymnasien engagieren. Warum liegt Ihnen dieses Thema so stark am Herzen?

Koppe: Einmal gehören in anderen Bundesländern diese Boxen bereits zum Standard. Die Unfallkasse in Hessen hat 2009 bereits zum vierten Mal alle Schulen mit Zahnrettungsboxen ausgestattet. Dort hat man erkannt, dass sich diese Investition lohnt. Ein herausgeschlagener Frontzahn bei Kindern ist schwierig durch ein Implantat - weil der Kiefer sich noch im Wachstum befindet - zu ersetzen und es kostet die Allgemeinheit eine Menge Geld. Ich habe einen Anbieter ausfindig gemacht, bei dem kostet eine Box weniger als einen Euro. Also für 1.100 Schulen ein überschaubarer Betrag. Und zweitens bin ich auch ein leidgeprüfter Vater, mein Sohn ist beim Schulsport vom Klettergerüst gefallen.

Herr Koppe, weshalb unternehmen Sie einen solchen Praktikumstag? Was erhoffen Sie sich daraus für Erfahrungen für Ihre parlamentarische Arbeit?

Koppe: Das ist schnell erklärt. Ich will lernen. Ich möchte bei jedem Praktikum - und ich bin sehr oft unterwegs - etwas mitnehmen, was mir neu ist. Was wäre ich denn für ein Politiker, wenn ich meinte, ich wüsste bereits alles? Ich weiß, dass ich jeden Tag dazulernen kann und muss. Daher gebietet es die Vernunft und der Anspruch an mein eigenes Handeln, dass ich mich informiere, bevor ich entscheide. Und selbst nach einer Entscheidung bleibe ich stets kritisch. Daher danke ich auch Ihnen ganz herzlich für die Möglichkeit mit der Zahnärzteschaft, ihren Mitarbeitern und den Patienten ins Gespräch zu kommen und mich einmal vor Ort informieren zu dürfen.