An vielen Stellen in der Thüringer Gesundheitslandschaft wird an Zukunftsszenarien gebastelt. Allen gemeinsam liegt die Frage zugrunde: Wie kann bei zurückgehender Bevölkerung und weniger Ärzten eine qualitativ hochwertige Versorgung der Patienten in Thüringen gewährleistet werden?

Erfurt/Weimar. Bei der Kassenärztlichen Vereinigung in Thüringen kennt man das Problem - und steuert schon seit Jahren gegen, gemeinsam mit der Politik. Da werden Ärzte als Angestellte in Praxen beschäftigt, die von der KV betrieben werden, in der Hoffnung, ihnen dadurch den Sprung in die Selbstständigkeit zu erleichtern.

Da gibt es Stipendien für Studenten, die sich verpflichten, nach ihrem Studium mehrere Jahre in Thüringen zu bleiben. Da lockt das Land mit einer Förderung für neue Praxen, die in strukturschwachen Regionen eröffnet werden. Und jetzt wird dort offenbar auch überlegt, die ärztlichen Versorgungsstrukturen den Vorgaben des Landesentwicklungsplanes anzupassen. Der sieht vor, bis 2025 Thüringen in ein Netz von Grund- und Mittelzentren aufzuteilen.

Möglicherweise kann die ärztliche Grundversorgung dann nur noch in den Mittelzentren aufrecht erhalten werden, so erste interne Überlegungen, die bei einer Veranstaltung von Techniker Krankenkasse und Universitätsklinikum Jena in Weimar bekannt wurden. Natürlich kann man keinem Arzt vorschreiben, wo er sich niederlässt.
Aber es ist auch wenig wahrscheinlich, dass ein Kinderarzt eine Praxis in einer Region eröffnet, die schon heute unter erheblichem Geburtenschwund leidet. Eine Voraussetzung für die Umsetzung derartiger Gedankenspiele: Die Mittelzentren müssten auch gut durch den öffentlichen Nahverkehr zu erreichen sein, es müssten gut funktionierende Strukturen geschaffen werden, die gewährleisten, dass die Patienten auch zu den Ärzten kommen.

Mehr Gemeinschaftspraxen

Aber auch andere Überlegungen spielen eine Rolle: die Einrichtung von mehr Gemeinschaftspraxen beispielsweise, die Etablierung von Medizinischen Versorgungszentren, die nicht zwingend an Krankenhäuser angeschlossen sein müssen. Oder eben die Einrichtung von Landambulatorien, wie sie der Gesundheitsexperte der Linkspartei, Jörg Kubitzki , schon seit längerem vehement propagiert. In diesen Landambulatorien könnten beispielsweise neben Praxen für Allgemeinärzte auch Praxisräume für Fachärzte, Apotheken oder auch Physiotherapeuten vorgesehen sein, erläutert Kubitzki seine Idee.

Regionale Gesundheitszentren schweben den Grünen vor. Das sind, so Fraktionschefin Anja Siegesmund , Einrichtungen, die unter einem Dach die verschiedenen Beratungsdienste, Selbsthilfen und Sozialstationen bündeln.
Aber auch in der Krankenhauslandschaft wird sich einiges verändern. Von "Konversion" sprechen mittlerweile Experten, also von der Änderung und notwendigen Spezialisierung der einzelnen Häuser. Klar ist: In Thüringen werden wohl in absehbarer Zeit keine Krankenhäuser geschlossen. Dagegen wenden sich sowohl die Sozialdemokraten mit ihrer Gesundheitsministerin Heike Taubert wie auch die anderen Parteien. Aber mehr Kooperation und eine stärkere Differenzierung der Angebote werden wohl auf der Tagesordnung stehen.
Davon ist auch CDU-Gesundheitspolitiker Christian Gumprecht überzeugt: "Neben der Versorgung der Patienten ihrer Region werden sich die Krankenhäuser in Zukunft auf bestimmte medizinische Schwerpunkte konzentrieren müssen." Auch auf eine Steigerung der Qualität wird man achten.

Einer Änderung der Vergütungsstruktur redet SPD-Gesundheitsexperte Thomas Hartung das Wort: Die derzeitigen Vorgaben zwängen kleine Krankenhäuser de facto dazu, auch sehr anspruchsvolle Verfahren vorzuhalten, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Auch FDP-Experte Marian Koppe sieht eine Spezialisierung der Krankenhäuser als absolut notwendig an. Eine Abwanderung der optimalen Versorgung der Patienten aus der Fläche müsse verhindert werden, sagt er.

19.07.2014 TLZ - Thüringische Landeszeitung