Gesundheitspolitik

Erfurt - Das Timing hätte kaum besser sein können. Just zum Weltnichtrauchertag debattierte der Landtag den Nichtraucherschutz. Den wollten die Grünen mit einem Gesetz verschärfen und damit das Rauchen zum Beispiel auch in Festzelten verbieten und separate Raucherräume abschaffen. Genutzt hat der Weltnichtrauchertag dem Anliegen nichts. Eine Mehrheit aus CDU, SPD und FDP lehnte den Gesetzentwurf gestern ab. "Das bisherige Gesetz hat sich weitestgehend bewährt und zu einer Befriedung geführt", betonte Sozialstaatssekretär Hartmut Schubert (SPD). So sieht es auch der CDU-Abgeordnete Manfred Grob. Sympathie äußerte nur der Linke-Abgeordnete Jörg Kubitzki, der sich als "Verfechter des konsequenten Nichtraucherschutzes" outete. Er sieht die Gesellschaft "tief gespalten" in der Nichtrauchfrage. Die Spaltung gehe selbst durch die Linke-Fraktion, die den Antrag wenigsten in den Ausschüsse gerne diskutiert hätte. Aber auch das lehnten CDU, SPD und FDP ab.

Die Debatte sollte Kubitzkis Spaltungs-Theorie bestätigen. "Der Gesundheitsschutz muss an erster Stelle stehen", betonte Grünen-Fraktionschefin Anja Siegesmund. Umfragen, Krankenkassen und die Leitstelle für Suchtfragen unterstützten deshalb den Vorstoß der Grünen. In Bayern und im Saarland habe ein verschärfter Nichtraucherschutz nicht zu einem Kneipensterben geführt.

Die SPD und die Bratwurst

FDP-Sozialpolitiker Marian Koppe verwies dagegen auf das hohe Gut "individuelle Freiheit" und ist deshalb nur für einen "relativen Nichtraucherschutz". Zum Beispiel in öffentlichen Gebäuden. Ob "der Besuch einer Gaststätte zu den bürgerlichen Pflichten zählt", bezweifelt er. Nach der Gesundheitslogik der Grünen müsste man "das Thüringer Kulturgut Rostbratwurst verbieten", spottete SPD-Gesundheitspolitiker Thomas Hartung . Denn auch deren regelmäßiger Konsum erhöhe nachweislich das Darmkrebsrisiko. Oder man müsse Frauen zu sechs Kindern und zweijährigen Stillzeiten zwingen, weil man damit deren Brustkrebsrisiko halbieren könnte. Hartung möchte aber "nicht eine einem Land leben, wo der Staat den Bürgern vorschreibt, gesund zu leben". Ein "Todschlagargument" sei der Vergleich mit der Bratwurst, konterte Kubitzki. Und ein Beleg dafür, dass Hartung den Unterschied nicht begriffen habe. Beim Rauchen gefährde man auch andere, beim Bratwurstessen nicht.

Hartung hatte aber auch Zahlen parat. Und er brachte den Kinderschutz ins Spiel. Weil die Raucher angesichts der Rauchverbote in den Kneipen häufiger zu Hause blieben, müssten mehr Grundschüler in einem Umfeld leben, wo regelmäßig geraucht wird. Nämlich 50 Prozent statt 37 Prozent vor Einführung des Nichtraucherschutzes. gwa



01.06.2012 Freies Wort