Eine Studie von Wissenschaftlern der Universität Mannheim zur Wirkung des Thüringer Landeserziehungsgeldes bestätigt alle Befürchtungen der SPD. CDU-Familienpolitiker Gumprecht bezweifelt den Wert der Ergebnisse

Erfurt. Behindert das Thüringer Landeserziehungsgeld, von Gegnern auch "Herdprämie" genannt, die Erwerbstätigkeit von Frauen?

Absurd, sagt CDU-Familienpolitiker Christian Gumprecht . Mit Studien, die zu solchen Schlüssen kommen, sei niemandem geholfen. In Wahrheit habe die Quote der Erwerbstätigkeit Thüringer Frauen 2006, im Einführungsjahr des Erziehungsgeldes, bei 60,6 Prozent gelegen. Bis 2010 sei die Quote stetig auf 70,4 Prozent angestiegen.

Birgit Pelke ist empört. Gumprecht wage die "bodenlose Frechheit", anerkannte Wissenschaftler zu beschuldigen, ein falsches Bild zu vermitteln. Die sozialpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion betont, die Studie betrachte einzig die Entwicklung der Erwerbstätigkeit von Müttern mit zweijährigen Kindern. Logisch, denn nur für diese Kinder gab es zwischen 2006 und 2009 das Erziehungsgeld. Falls sie keinen Kindergarten besuchten.

Dass die SPD mit Prof. Christina Gathmann und Björn Saß gestern auf Krach mit dem Koalitionspartner bürstete, lag auf der Hand. Die beiden Wissenschaftler von der Universität Mannheim hatten anhand von bundesweit erhobenen Daten untersucht, ob es durch die Zahlung des freistaatlichen Erziehungsgeldes zu gewissen Abweichungen im Verhalten der Thüringer kommt. Die Ergebnisse, die SPD-Fraktion hat sie immer geahnt, wurden gestern im Landtag vorgestellt.

"Der konservativste Effekt", sagte Studien-Mitautor Saß, sei der Rückgang der Erwerbstätigkeit um 20 Prozent bei Müttern mit zweijährigen Kindern. Auch der zweite Effekt bestätigt eine Befürchtung: Für 150 Euro im Monat bleiben vor allem gering qualifizierte Eltern, Alleinerziehende und Niedrigverdiener mit ihrem Kind zu Hause. Anzeichen dafür, dass sich solche Kinder in ihren kognitiven und sozialen Fähigkeiten besser entwickeln als Kindergartenkinder, gebe es nicht. Im Gegenteil. Bei kleinen Mädchen, die daheim betreut werden, gehe die Entwicklung sogar etwas langsamer. Gemeint sind solche Fähigkeiten wie Selbständigkeit beim Essen oder Zähneputzen, die richtige Einordnung von Familienmitgliedern, das Verständnis von Rollenspielen und dergleichen mehr. Auch sei der Anteil von drei- bis vierjährigen Geschwistern eines Erziehungsgeld-Kindes in den Kindergärten um 30 Prozent zurückgegangen.

Die SPD müsse nun die Reißleine ziehen und das Erziehungsgeld abschaffen, verlangt umgehend Karola Stange (Linke). Anja Siegesmund (Grüne) ist realistischer und fordert die CDU auf zum Umdenken. Grün wolle gern dabei helfen. Und Marian Koppe (FDP) wiederholt seine Überzeugung: "Jede Form von Erziehungsgeld setzt gefährliche Fehlanreize." Die wichtigsten Vorbilder für Kinder seien berufstätige Eltern.

Kommentar

Wer beim Landeserziehungsgeld zugreift

Mit Einführung im Sommer 2006 gab es das Geld für Zwei- bis Dreijährige, die keinen Kindergarten besuchten.

Das passte aber mit dem Bundeselterngeld schlecht zusammen. Inzwischen gilt: Für Kinder, die zwischen dem 1. und dem 2. Geburtstag zu Hause betreut werden, gibt es pro Monat 150 Euro für das erste, 200, 250 bzw. 300 Euro für weitere Kinder.

Wer nur täglich bis zu fünf Stunden Kindergarten in Anspruch nimmt, erhält 75 Euro monatlich.

Für die Leistung gab Thüringen im Vorjahr 30,1 Millionen Euro aus.

14 661 Familien nahmen das Angebot an.

23.05.2012 OTZ - Ostthüringer Zeitung