Landtag beriet gestern einen Regierungsentwurf, der allein auf ehrenamtliche Senioren setzt, falls sie mitreden wollen

Von Volkhard Paczulla

Erfurt. Der oppositionellen Linken wird im Landtag selten gedankt. Aber gestern ausdrücklich, namentlich von Sozialministerin Heike Taubert (SPD) für faires Verhalten. Die linken Vorstellungen, wie Mitbestimmungsrechte der Senioren ausstaffiert sein sollten, teilt die Ministerin dennoch nicht.
Gestern kam ihr Regierungsentwurf für ein Thüringer Seniorenmitwirkungsgesetz zur ersten Beratung ins Parlament. Und nicht nur Marian Koppe (FDP) staunte, wie wenig dieses Gesetz bewirken dürfte. »Nichts im Lande wird sich ändern«, stellte der Liberale fest. Wenn die Landesregierung wirklich glaube, der älteren Generation mehr Einfluss auf die Politik verschaffen zu müssen, dann reiche dieses Gesetz gewiss nicht aus.
Wegen der vielen Möglichkeitsformen. Kommunen »können« Seniorenbeiräte bilden. Sie können es aber auch bleiben lassen. »Wir wollen weder einen Ersatz-Staatsrat noch die Gemeinderäte ärgern«, erläuterte Ressortchefin Taubert. Die Seniorenbeiräte sollen ehrenamtlich beratende Gremien sein, niemand solle zur Struktur oder zur Mitarbeit gezwungen sein. Christian Gumprecht (CDU) sprach von »unbürokratischen Rahmenbedingungen«.
Gemeint ist lediglich, dass kein Geld für die künftige Seniorenmitwirkung ausgegeben werden soll. Weder für Beiräte noch für mögliche Seniorenbeauftragte auf Landkreisebene. Lediglich dem neu zu gründenden Landesseniorenrat, der ein Anhörungsrecht haben soll, werden 80 000 Euro Zuschuss für eine Geschäftsstelle eingeräumt.
Die Linke stellt sich das völlig anders vor. Mit kommunal finanzierten Seniorenbüros und hauptamtlichen Beauftragten in jedem Landkreis und jeder kreisfreien Stadt. »Wenn es keine hauptamtliche Unterstützung gibt, dürfte es schwierig werden, genügend ehrenamtliche Senioren für die Aufgaben zu finden«, bedauerte die Geraer Abgeordnete Margit Jung. Ministerin Taubert stellte aber klar: »Wir wollen den Kommunen damit keine finanziellen Lasten aufbürden.« Auch wäre es »dümmlich«, längst vorhandene ehrenamtliche Strukturen platt zu machen.
Die Grünen sehen das Seniorenthema grundsätzlich und möchten Mitwirkungsrechte auch der jungen Generation parallel diskutieren. Im Sozialausschuss, wo seit einem Jahr schon der Linke-Entwurf auf Beratung wartet. Derweil, sagte Grünen-Fraktionschefin Anja Siegesmund, könne sich doch der Generationenbeauftragte Panse um alles kümmern. Der müsse schließlich »auch etwas zu tun haben«.


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Alten-Placebo

Volkhard Paczulla über die Thüringer Verrenkungen für eine Senioren-Lobby

Konrad Adenauer war 73, als er Bundeskanzler wurde. Übrigens mit einer Stimme Mehrheit im Bundestag, seine eigene mitgezählt. Danach regierte »der Alte« den neuen westdeutschen Bundesstaat 14 Jahre lang.
Nicht ganz so lange, aber seit etwa vier Jahren ackert die Linke im Landtag für ein Seniorenmitbestimmungsgesetz. Man darf es der Partei abnehmen, dass sie sich mit Problemen der älteren Generation besonders gut auskennt. Die Mehrzahl ihrer Mitgliedschaft befindet sich im Rentenalter.
Aber das Drängen der Linken, ein staatlich finanziertes Lobby-Geflecht für Senioren über das Land zu ziehen, unterstellt eine gewisse Gleichgültigkeit der Politik gegenüber den Belangen von Menschen jenseits der 60. Das Gegenteil ist jedoch der Fall.
Alle Parteien wissen, dass diese Gruppe wächst. Und dass sie obendrein den Weg zur Wahlurne häufiger findet als junge Leute, die keinen Rollator dafür brauchen. Wer regieren will, kann es sich gar nicht leisten, Politik gegen Ältere zu machen. Oft sitzen diese ja selbst in Fraktionen und Gemeinderäten und leisten dort gute ehrenamtliche Arbeit. Flächendeckender Beirats-Lobbyismus wäre doch nur ein Placebo für alle, die sich das nicht trauen.

27.01.2012 OTZ - Ostthüringer Zeitung