Gesundheitspolitik


Bundesgesundheitsminister Rösler (FDP) zu Gast in Thüringen − Gewerkschaft und Linke begrüßen ihn unfreundlich

Von Volkhard Paczulla

Erfurt.


Schon das Wetter ist nicht besonders, wenn Philipp Rösler (FDP) zu Besuch nach Thüringen kommt. Obendrein stehen Verdi-Gewerkschafter vor dem Landtag Protestspalier, und die Linke beschimpft den jungen Bundesgesundheitsminister als "Totengräber der sozialen Sicherungssysteme". Doch Rösler focht das gestern in Erfurt alles nicht an. Neben dem FDP-Landtagsabgeordneten Marian Koppe sitzend, der ihn eingeladen hatte, prallt jede Kritik an seinem neuesten Reformwerk ab: einer privaten Pflegezusatzversicherung. Man könne nur über Dinge diskutieren, "die es schon gibt", verweist der Politiker auf das frühe Stadium seiner Überlegungen. Für ihn, sagt er, sei das emotional beladene Thema Pflege an einer anderen Stelle akut. Beim Fachkräftemangel nämlich, und dass die gängige "Minutenpflege" keineswegs dem Menschenbild von Liberalen entspreche. Da stehe die Finanzierung für ihn nicht im Vordergrund. Zunächst müsse mal die Pflegebedürftigkeit neu geregelt werden, das bislang "unzureichend abgebildete" Thema Demenz inklusive. Er hat viel vor, der Bundesminister.
Seine Thüringer Parteifreunde hätten ihn schon frühzeitig auf weitere Probleme hingewiesen. Die nicht mehr ganz flächendeckende Versorgung mit Haus- und einigen Fachärzten zum Beispiel. Die könne nach Ansicht Röslers nur mit einer Vielzahl von Maßnahmen ins Lot gebracht werden. Länderinitiativen wie Stipendien für angehende Ärzte, die sich für eine bestimmte Region verpflichten lassen, Quoten oder das Thüringer Stiftungsmodell gegen Ärztemangel seien zu begrüßen. Sein Ministerium werde im ersten Halbjahr 2011 all diese Maßnahmen in einem Katalog für ein großes Versorgungsgesetz zusammentragen. Hier könne sich der Föderalismus mal "in seiner ganzen Schönheit beweisen". Als Herausforderung erkannt hat Rösler auch die Misere der freiberuflichen Hebammen.
Seit deren Haftpflichtprämien ins Unbezahlbare stiegen, steht der gesamte Berufsstand in Frage. Der Minister macht dafür die Krankenkassen verantwortlich und kündigt gesetzliche Änderungen an. Geändert hat er schon die Lizenz zum Gelddrucken für Pharmakonzerne. Für neue, noch teurere
Medikamente müssen sie nun erstmalig einen Zusatznutzen nachweisen. Kritiker behaupten
zwar, das funktioniere nicht, doch der FDP-Mann ist sich sicher: "Scheininnovationen
werden dadurch verhindert." Falls doch nicht, werde er das neue Gesetz gleich wieder ändern lassen. Sprach"s und fuhr mit Marian Koppe zum Besuch der Thüringen Klinik nach Saalfeld.
Noch hat er Schwung, der Gesundheitsminister.




17.11.2010 OTZ - Ostthüringer Zeitung