Babyklappen und anonyme
Geburten in Thüringen



Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen,

ich habe zwar immer noch so meine Probleme, was die vier Fragen in dem Antrag legitimiert, ein Antrag zu sein, nichtsdestotrotz ist für mich die Problematik wichtig genug, um dazu ein paar Worte sagen zu wollen.
Thüringen hat leider eine traurige Tradition an nach der Geburt getöteten oder infolge einer
ungeeigneten Aussetzung verstorbenen Babys. Deutschlandweit werden jedes Jahr
zwischen 20 und 30 Neugeborene getötet. Es wird dabei aber auch von einer noch viel
höheren Dunkelziffer ausgegangen. Thüringen ist gerade in letzter Zeit wieder in den
Mittelpunkt von Schlagzeilen über Kindstötungen gerückt. In Sömmerda, in Thörey sowie
zuletzt in Erfurt wurden Babyleichen gefunden.
Fakt ist aber für mich, keine Frau bringt ein Kind zur Welt, um es dann zu töten.
Überall in Deutschland, so auch in Thüringen, gibt es Krankenhäuser, in denen schwangeren Frauen, die anonym bleiben und ihren Namen nicht nennen wollen, eine Entbindung ermöglicht wird.
Fakt ist aber auch, dass sich diese Frauen und das Krankenhauspersonal damit nach deutschem Recht strafbar machen. Man darf das also nicht. Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, in der sich solche
Ärzte zusammengefasst haben, erhebt meines Erachtens zu Recht an den Staat die
Forderung, das medizinische Handeln der Ärzte in so einem Fall strafrechtlich nicht zu
verfolgen. Denn das ist heute der Fall. Für die Babyklappe und die wirklich seltenen Fälle der
anonymen Geburt gibt es bis jetzt keine rechtlichen Grundlagen. Die Babyklappe und die
anonyme Geburt als Einrichtung haben nicht nur Befürworter. Gegner dieser Möglichkeiten
führen an, den Kindern wird das Recht genommen, ihre tatsächliche Identität in Erfahrung zu
bringen. Ebenso wird darauf verwiesen, die Zahl der Kindstötungen habe sich nicht messbar
verringert. Ich glaube, solche Vergleiche sollte man tunlichst lassen. Wir sagen, wenn
Frauen in extremen Notlagen die Geburt hinter sich haben und in einem geschützten Raum
wie dem Krankenhaus betreut werden, sind sie auch offen für staatliche Hilfe. Statistiken
belegen auch, dass die Hälfte der Schwangeren, die sich in Beratungsstellen anonym
beraten ließen, ihre Anonymität nach der Geburt aufgeben und das Kind mit nach Hause
nehmen. Diese Erfolge gilt es zu sehen.
Auch die Mütter, die statt ins Krankenhaus zu gehen, ihr Kind ohne Hilfe geboren und es in
eine Babyklappe gelegt haben, haben nach kurzer Zeit ihre Anonymität aufgegeben und die
Beziehung zu ihrem Kind hergestellt. Auch das ist ein Erfolg der Babyklappe.
Ich will hier deutlich sagen: Das Recht des Kindes auf Wissen um die eigene Abstammung
gehört zu den Grundrechten. Das gilt aber auch und vor allem für das Recht auf Leben und
körperliche Unversehrtheit.
Dem wiederum wird mit ärztlicher Hilfe am besten Rechnung getragen. Die positive Bilanz
der Hilfsprojekte zeigt, eine Begleitung der anonymen Geburt birgt die Chance, dass die
Mutter in die Lage versetzt wird, staatliche Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen. Damit
kann man auch dem gesetzlichen Anspruch des Kindes auf Wissen um die eigene Herkunft
besser gerecht werden. Ich wiederhole vielleicht jetzt auch zum dritten Mal, aber ich sage es
noch einmal für alle, denn für mich ist der Satz sehr wichtig, der letzte Satz in der
Begründung des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: „Wenn durch das
Angebot von Babyklappen und anonymer Geburt auch nur ein Kinderleben gerettet oder
zukünftiger Schaden von ihm abgewendet wird, hat es sich gelohnt.“

Vielen Dank.

03.01.2010 3252