Gesetz zur Änderung des Thüringer Gesetzes über das Petitionswesen

Vielen Dank, Herr Präsident. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Vorfahrt für Kinder, so muss das Rezept einer Gesellschaft lauten, die auch in Zukunft lebenswert sein will. Doch wie wollen wir diese Vorfahrt gewähren? Kinder können sich nun einmal nicht so organisieren wie wir Erwachsenen in Gewerkschaften, Parteien, Interessenvertretungen oder in Vereinen. Nein, Kinder sind darauf angewiesen, dass ihre Eltern und die Politik ihre Bedürfnisse berücksichtigen. Denn wir alle wissen, Kinder und Jugendliche sind auch Bürgerinnen und Bürger in unserem Land. Daher liegt Ihnen der heutige Vorschlag der FDP-Fraktion auf Einrichtung einer Kinder- und Jugendkommission vor. In dieser wollen wir, dass die Entscheider von Politik ganz konkret mit denjenigen zusammenarbeiten, die ihre Situation am besten kennen, nämlich Kinder und Jugendliche. Wir wollen, dass unabhängig von Parteipolitik die
Interessen direkt an den Thüringer Landtag herangetragen werden können, und wir wollen, dass diejenigen Abgeordneten, die Mitglieder der Kinderund Jugendkommission sind, gemeinsam Themen setzen können. Ich sage Ihnen, das ist nötig. Viel zu oft wird in unserem Land zwar über Betroffene geredet, aber nicht mit ihnen. Trotz aller parlamentarischen Möglichkeiten kommen die Interessen derjenigen zu kurz, die sich selbst nur schwer in komplizierte Debatten einbringen können. Ich ahne, dass es im Hause eventuell unterschiedliche Ansichten gibt, ob eine solche Institution, wie von uns gefordert wird, auch nötig ist. Jeder Abgeordnete
und jede Fraktion hat schließlich das Recht, Initiativen auf den Weg zu bringen. Insofern könnte man uns allen, auch mir persönlich, vorwerfen, warum wir es denn nicht im geforderten Maße tun. Reicht es wirklich aus, Kinder- und Jugendpolitik rein über die Struktur- und Finanzfragen vom Jugendhilfeausschuss zu definieren? Reicht es aus, dass wir immer dann das Wohl der Kinder explizit zur Sprache bringen, wenn wir über Chancen und Risiken der Gesellschaft von morgen diskutieren? Reicht es aus, dass wir im politischen Raum gerade denjenigen, die die Grundlage unserer zukünftigen Gesellschaft bilden, nicht parlamentarisch anbinden? Meine Fraktion und ich selbst sagen Nein. Wir sind als Liberale nicht dafür bekannt, das sollte Ihnen bereits jede einzelne Haushaltsberatung gezeigt haben, ohne gründliche Abwägung neue Strukturen zu schaffen, auch wenn die von uns geforderte Änderung hier auch
sehr überschaubar bleiben wird. Warum wir es dennoch tun, warum wir dennoch eine
Stärkung der Kinder- und Jugendpolitik durch eine eigene Kommission des Landtags fordern, will ich Ihnen kurz begründen. Die aktuelle Studie des LSB-Kinderbarometers zeigt deutlich, dass trotz aller Mühen der Politik und eines jeden Abgeordneten hier im Hause es nicht zum Besten bestellt ist mit der Interessenvertretung von Kindern und Jugendlichen. Fast zwei Drittel der Befragten, rund 64 Prozent, wollen bei den Entscheidungen, die sie betreffen, mitreden. Die meisten fühlen sich laut der Studie kaum ernst genommen, selbst wenn sie versuchen, sich einzubringen. Rund 70 Prozent sind der Meinung, dass ihre Bedürfnisse bei politischen Entscheidungen kaum eine Rolle spielen. Ich zitiere direkt aus dem LSB-Kinderbarometer: „Vor dem Hintergrund, dass sich ein so hoher Prozentsatz der thüringischen Kinder nicht ernst genommen fühlt, ist es wenig überraschend, dass sich mehr als drei Viertel der Kinder nicht ehrenamtlich engagieren. Nur 22 Prozent bringen sich zum Beispiel ehrenamtlich in die Kirchgemeinde oder Schülervertretung ein. 78 Prozent tun dies nicht. Auch in dieser
Frage gibt es keine signifikanten Unterschiede in den betrachteten Untergruppen“, so das LSBKinderbarometer. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist eine, wie ich meine, verheerende Bilanz für unsere Arbeit. Ehrenamtliches Engagement, das Gefühl, sich für andere und mit anderen gemeinsam einzusetzen, ist die Keimzelle für unsere Demokratie. Die Demokratie lebt davon, wenn sich Menschen nicht abseits stellen, sich nicht zurückziehen und die Dinge, die vermeintlich andere für sie entscheiden, nur ertragen und über sich ergehen lassen, statt sie aktiv mitzugestalten. Demokratie heißt: Wir sind das Volk, jeder und jede in unserem Freistaat. Dass uns dies im Grundsatz auch klar ist, kann ich in jeder Debatte, gerade in Bezug auf die Bekämpfung des politischen Extremismus, vernehmlich hören. Wir alle mahnen in diesem das Engagement an und sagen zu Recht: Macht mit! Engagiert euch! Ihr seid der Souverän! Lasst nicht andere über euer Wohl entscheiden! Gerade in unseren Kindern wächst der Wunsch, dabei zu sein, denn sie werden eines Tages diejenigen sein, an denen es ist, unsere Demokratie mit Leben zu füllen und sie gegen Ideologien zu verteidigen. Genau aus diesem Grund dürfen uns die Ergebnisse der Studie nicht unberührt lassen. Genau aus diesem Grund brauchen wir die Anbindung der Kinder und Jugendlichen an das höchste Verfassungsorgan unseres Freistaats, den Thüringer Landtag. Wir als FDP-Fraktion sind nicht die Einzigen in der Bundesrepublik, die dies so sehen und fordern. Im Gegenteil, es gibt bereits zwei vorbildliche Beispiele, wie eine solche Kinder- und Jugendkommission den Stellenwert der Kinder- und Jugendpolitik verbessern helfen kann. Zum einen ist dies die Kinderkommission des Bundes und zum anderen die Kinderkommission des Bayerischen Landtags. Ich habe mit mehreren Abgeordneten,
egal welcher Parteizugehörigkeit, gesprochen, die mir die Wichtigkeit und den Erfolg des parteiübergreifenden Wirkens für Kinder und Jugendliche bestätigt haben. Diese beiden parlamentarischen Gremien sollten auch für uns in Thüringen Vorbild sein. Lassen Sie mich kurz die Kollegen zitieren, die nicht Mitglied meiner Partei sind und dennoch für dieselben Ziele kämpfen. Stefan Klein, Abgeordneter der SPD aus Niedersachsen, sagte im Mai 2011 zum Antrag der SPD in Niedersachsen zur Einführung einer Kinderkommission: „Ich denke, Sie können unserem Antrag folgen. Er ist inhaltlich ausgereift und exzellent formuliert. Sie können aber auch Ihren Vorbildern folgen. Auch in der CDU gibt es viele, die dieses Thema durchaus positiv sehen. Herr Pols, MdB und seinerzeit Vorsitzender der Kinderkommission im Bund, hat gefordert, dass die Länder dem Beispiel des Bundes folgen und Kinderkommissionen einrichten.“ Oder aber Herr Walter Kern, CDU-Abgeordneter aus Nordrhein-Westfalen, zum Antrag der Fraktion der FDP am 04.07.2012: „Meine Damen und Herren, Kinder- und Jugendbeteiligung ist kein Selbstzweck! Sie ist eine Bereicherung für unsere Gesellschaft und erfordert eine umfassende Unterstützung
auf allen politischen Handlungsebenen. Sie sichert unsere demokratischen Strukturen von morgen! Und deshalb ist das Ziel des Antrags auch richtig - will sagen: erforderlich!“ So weit Walter Kern, CDU-Abgeordneter aus Nordrhein-Westfalen. Oder nehmen wir Frau Christiane Blömeke von den GRÜNEN aus der Hamburger Bürgerschaft vom 11. September dieses Jahres. Frau Blömeke sprach dort in der parlamentarischen Diskussion: „Mit einer Kinderkommission wären die Interessen von Kindern bei Entscheidungen besser berücksichtigt. Gemeinsam mit den anderen Fraktionen wollen wir diskutieren, ob dies ein Modell für Hamburg sein kann. Kinder sind die schwächsten Mitglieder unserer Gesellschaft. Sie können sich noch nicht selbst organisieren. Es ist wichtig, dass Eltern, aber auch Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung die Belange der Kinder mit einbeziehen.“, so Frau Blömeke von den GRÜNEN aus der Hamburger Bürgerschaft. Wir scheinen hier - und das beweisen mir auch die Zitate - bei diesem Thema über Parteigrenzen hinweg durchaus auch einmal einig zu sein. Genau deshalb haben wir die Struktur auch so angelegt, wie sie im Gesetz zur Änderung des Thüringer Gesetzes über das Petitionswesen unserer Fraktion nachzulesen ist. Wir möchten, dass alle Parteien jeweils ein ordentliches Mitglied benennen sollen. Wir möchten, dass alle Beschlüsse der Kinder- und Jugendkommission einstimmig gefasst werden, um den Entscheidungen des zukünftigen Unterausschusses die notwendige politische Kraft zu verleihen. Wir möchten, dass der Vorsitz turnusmäßig zwischen den Fraktionen wechselt, damit klar ist, dass hier das gemeinsame Wirken für Kinder und Jugendliche im Zentrum der parlamentarischen Arbeit steht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe Ihnen bis hierher die Position der FDP-Fraktion erläutert. Ich
habe versucht anzuführen, weshalb wir die Notwendigkeit für eine Kinder- und Jugendkommission im Thüringer Landtag sehen. Ich habe dem Hohen Haus dargelegt, wie wir uns die Struktur und das Wirken des neuen Unterausschusses vorstellen. Daher lassen Sie mich am Ende meiner Rede noch einmal Stefan Klein, SPD-Abgeordneter aus Niedersachsen zitieren. „Das Wohl unserer Kinder ist uns wichtig. Dem können Sie jetzt Ausdruck verleihen, indem Sie unserem Entwurf zustimmen. Richten Sie eine Kinderkommission ein. Das kommt den Kindern zugute und darum muss es uns in erster Linie gehen.“ Dem ist aus meiner Sicht nichts mehr
hinzuzufügen. Vielen Dank.

16.11.2012 2814