Stärkung der Arbeitsfähigkeit älterer Arbeitnehmer in der Thüringer Landesverwaltung

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich zum eigentlichen Redebeitrag komme, möchte ich vorausschicken, dass dieser Antrag unserer Fraktion nicht als Vorwurf an die Regierung gemeint ist, nein, im Gegenteil, sondern als Aufforderung an uns alle, diesem Thema die gebührende Aufmerksamkeit, die es verdient hat, zu widmen. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir die Verantwortung haben, unsere Verwaltung auch in Zukunft in die Lage zu versetzen, dass diese dies umsetzen kann, was wir hier im Plenum beschließen. Wir haben zwar schon des Öfteren über die Probleme des demographischen Wandels gesprochen, die eigene Verwaltung hatten wir dabei noch nicht explizit im Blick. Ich glaube auch, dass dieses komplexe Thema bisher verkürzt und zu sehr in engen Bedarfsfeldern gesehen und diskutiert worden ist. Dabei müssen wir uns immer wieder bewusst machen – und da meine ich vor allem auch die Landesregierung, die natürlich jetzt relativ spärlich vorhanden ist, aber der Innenminister ist zumindest da -, vor welchen fundamentalen Herausforderungen unsere Gesellschaft heute steht und auch in Zukunft stehen wird. Lassen Sie mich daher die multidimensionale Problemlage hier kurz skizzieren. Zunächst lässt sich feststellen, dass die durchschnittliche Lebenserwartung der Deutschen jährlich um 40 Tage ansteigen wird. Das heißt, binnen eines Jahrzehnts wird sie sich also ca. um 1 Jahr erhöht haben. Die Bevölkerungszahlen werden in den Entwicklungsländern weiter zunehmen, während sie in den meisten Industriestaaten stetig abnehmen. Dies wird massive Auswirkungen auf den Altersdurchschnitt in der Bundesrepublik und damit auch auf Thüringen haben. Laut Statistischem Bundesamt lag das Durchschnittsalter der Bevölkerung im Jahr 1900 bei 23 Jahren und wird, die demographische Entwicklung vorausgesetzt, im Jahr 2100 auf 57 Jahre ansteigen. Als Folge dessen wird das Erwerbspotenzial bis zum Jahr 2050 um ca. 20 Prozent sinken. Dies hat unmittelbare Auswirkungen auf das Verhältnis von Erwerbstätigen zu Rentnern. Auf einen Erwerbstätigen kommen zukünftig immer mehr Rentner. Wie schnell sich diese Pyramide umkehrt, zeigen Untersuchungen der Marie-Luise-Becker-Stiftung, nach der im Jahr 2008 auf 100 Erwerbspersonen 44 Rentner kamen. Im Jahr 2050, wieder vorausgesetzt, die demographische Entwicklung geht so weiter, werden auf 100 Arbeitnehmer bereits 78 Rentner kommen. Direkte Folge davon sind weiter steigende Gesundheitsausgaben. Die sind nun einmal bei einem 60-Jährigen deutlich höher als bei einem 20-Jährigen. Für Arbeitgeber wird also festzustellen sein, dass beispielsweise die Fehlzeiten und Fehltage der Arbeitnehmer ansteigen werden. In Nordrhein-Westfalen als Beispiel kamen im Jahr 2008 Beschäftigte ab 50 Jahren durchschnittlich auf 25 Arbeitstage, wohingegen die bis zu 29-Jährigen auf weniger als die Hälfte kamen. Welche Probleme auf die Arbeitswelt zukommen, wird an solchen Zahlen besonders deutlich. Meine Damen und Herren, Sie sehen also an dieser kurzen Bestandsanalyse, dass nahezu alle gesellschaftlichen Felder und alle gesellschaftlichen Akteure betroffen sind. Auch die Arbeitswelt wird sich somit wohl oder übel den Herausforderungen stellen und verändern müssen. Dies gilt für private Unternehmen genauso wie für die öffentliche Verwaltung. Schon heute ist der Bedarf an betrieblicher Gesundheitsförderung in der öffentlichen Verwaltung massiv. Man kann sehen, dass es große Unterschiede beim Krankenstand zwischen den einzelnen Branchen gibt. Dabei schneidet der öffentliche Bereich bisher am schlechtesten ab. Das IGES-Institut
hat in einer Studie die Krankenstände von 2,6 Mio. Krankenkassenmitgliedern für das Jahr 2010 ausgewertet. Dabei belegt der öffentliche Dienst mit einem Wert von 4 Prozent und 133 Erkrankungsfällen je 100 Versicherte den mit Abstand höchsten Krankheitsstand. Mit durchschnittlich 10,9 Fehltagen belegt der öffentliche Dienst auch bei der ausgefallenen Arbeitszeit den Spitzenplatz. Wenn wir uns dann ansehen, dass laut dem Gesundheitsreport 2011 der IKK Classik Muskel- und Skeletterkrankungen mit 24,8 Prozent die häufigste Ursache für Krankheit darstellen, also bei entsprechendem Verhalten vermeidbar wären, zeigt sich die Bedeutung eines größeren Augenmerks auf die Gesundheitsförderung innerhalb der Verwaltung. Hier müssen wir alle gemeinsam unsere Verantwortung wahrnehmen und tätig werden. Positiv hervorheben möchte ich im Übrigen die Stadtverwaltung der Landeshauptstadt Erfurt. Diese arbeitet eng mit den Krankenkassen zusammen und nutzt dabei clevererweise die Expertise derjenigen, die am stärksten an der Gesunderhaltung ihrer Versicherten interessiert sind, nämlich der Krankenkassen. Diese kommen z.B. unentgeltlich ins Unternehmen oder in die Institution und sorgen mit Arbeitsplatzbegehungen, Mitarbeiterbefragungen und Gefährdungsanalysen bzw. Zirkelgesprächen und Workshops für eine schnelle Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Arbeitsorganisation.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, aber das ist natürlich nur die eine Seite der Medaille. Die Gesunderhaltung der Arbeitnehmer allein wird die zukünftigen Herausforderungen innerhalb unserer Landesverwaltung nicht allein bewältigen können. Ich bin überzeugt, dass wir auch an den bisher starren Renteneintrittsregelungen und starren Arbeitszeitmodellen ansetzen sollten. Es ist mir unerklärlich, weshalb ein Beamter oder ein Angestellter, der fit genug und bereit ist, seine Arbeitskraft über das vorgesehene Renteneintrittsalter hinaus dem Land zur Verfügung zu stellen, dies nicht dürfen sollte. Wir hindern doch gerade die hoch motivierten und erfahrenen Kollegen daran, sich weiter nach ihren Möglichkeiten aktiv ins Arbeitsleben einzubringen. Ich glaube, dass wir uns diese Respektlosigkeit gegenüber den älteren Arbeitnehmern nicht länger werden leisten können. Was wir in der freien Wirtschaft einfordern, sollten wir in unserem Verantwortungsbereich zuallererst umsetzen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist mir auch unerklärlich, warum wir nicht auch auf alternative und
flexible Arbeitszeitmodelle zurückgreifen sollten. Weshalb muss ein Erwerbstätiger, der das Rentenalter erreicht hat, aber weiterhin aktiv sein möchte, die volle Wochenarbeitszeit ableisten? Wäre es nicht vielleicht sogar von Vorteil, wenn wir Arbeitszeitmodelle aus privaten Unternehmen als Beispiel heranziehen und deren positiven Erfahrungen uns zunutze machen würden? Unternehmen, die Mitarbeiter halten wollen, zeigen sich kulant bei der Gestaltung der Gesamtarbeitszeit. Viele ältere Arbeitnehmer wollen sich nicht mehr der vollen Belastung aussetzen, können sich aber ein Verbleiben im Unternehmen vorstellen. Hier sollten wir deutlich individuellere Arbeitsmodelle einrichten. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen, dass das Thema der Stärkung der älteren Arbeitnehmer weitreichend und herausfordernd ist. Ich würde mich sehr freuen, dies mit Ihnen und den verantwortlichen Vertretern der Regierung im Ausschuss beraten zu können. Daher beantrage ich die Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit, den Innenausschuss sowie den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Technologie. Vielen Dank.


Vielen Dank, Herr Präsident. Ich habe nicht den Ansporn, jetzt auf alles noch einmal einzugehen, aber doch auf zwei, drei Sachen. Frau Leukefeld, Ihr Beitrag hat gezeigt, dass Sie sich eigentlich mit dem Inhalt des Antrags nicht beschäftigt haben. Sie wollten hier noch einmal einen ideologischen Redebeitrag halten, das haben Sie gemacht. Vielleicht haben Sie damit alles erreicht, was Sie wollten. Aber genau auf das Problem Gesundheitsprävention, was der erste Angriffspunkt dieses Antrags war,
sind Sie mit keinem einzigen Wort eingegangen. Von daher würde ich es da relativ kurz halten wollen. Herr Hey, vielleicht sollten wir eines nicht machen, und zwar Generationen gegeneinander ausspielen, auf der einen Seite sagen, was machen wir denn mit jungen Leuten, die wir vielleicht heranführen wollen. Genau das ist nämlich auch ein Punkt. Wenn Mitarbeiter der Verwaltung bei Erreichen des Rentenalters der Meinung sind, sie können noch ein paar Stunden arbeiten, dann können sie diese Stunden zum Beispiel nutzen, um junge Leute an ihre Aufgaben heranzuführen und Hilfestellung zu leisten. Das wäre zum Beispiel ein Punkt, ganz einfach, das ist vielleicht zu simpel gewesen. Wenn Sie darüber reden wollen, was Sie alles noch für Fragen haben, dann hätten Sie den Mut gehabt, würden Sie den Antrag an den Ausschuss überweisen. Da haben wir genau die Zeit, darüber noch zu reden. Alles andere machen Sie sich sehr einfach. Frau Holzapfel - wo ist sie denn, ach, ganz da hinten -, ich habe Ihre Rede als wirklich gute Rede empfunden. Sie haben auch viele Punkte unterstrichen, warum wir den Antrag gestellt haben. Nur der Schluss hat halt nicht gepasst: Wir werden ihn nicht an den Ausschuss überweisen. Denn noch einmal: Wenn es Redebedarf gibt, dann sollten wir ihn an den Ausschuss überweisen. Dort können wir es klären, da können wir vielleicht auch zu einem einvernehmlichen Lösungsansatz kommen. Vielen Dank.

14.06.2012 2913