Thüringer Sozialstrukturatlas - eine Chance und Grundlage

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, zuerst einmal vielen Dank an die SPD-Fraktion für
die Möglichkeit, hier in der Aktuellen Stunde zum Thema Sozialstrukturatlas sprechen zu dürfen. Grundsätzlich ist das Handeln von Regierung und nachgeordneten Behörden stets auf eine solide Datengrundlage zu stellen. Eines aber sollte uns allen im Laufe des letzten Jahrhunderts bewusst geworden sein: Jedem Handeln liegen Annahmen zugrunde, die letztlich in ihrem Erfahrungshorizont begrenzt sind. Damit wird alles, was wir tun, und alles, was wir wollen, zu einer Hypothese, deren Richtigkeit sich stets erst in Zukunft erweisen wird. Gesellschaft ist schwer planbar. Sie ist zu komplex und verändert sich täglich unter Bedingungen, die für uns heute noch nicht absehbar sind. Meine sehr geehrten Damen und Herren, umso mehr bin ich über die Existenz eines solchen Sozialstrukturatlasses erstaunt. Ich frage mich ernsthaft, was neu an der Erkenntnis ist, dass es zum Beispiel Unterschiede zwischen dem Landkreis Nordhausen und der kreisfreien Stadt Suhl bzw. zwischen Altenburg und dem Wartburgkreis gibt. Für diese Erkenntnisse, die auch noch auf einer reinen Sekundaranalyse beruhen, hätte ein Blick in Monatshefte des Landesamtes für Statistik gereicht oder die im Internet zugänglichen Datenerhebungen der Bundesagentur für Arbeit, genannt Arbeitsmarktmonitor. Denn oh Wunder, genau aus diesen Quellen nämlich bezieht der Lehrstuhl am Fachbereich für Agrarwissenschaften, Ökotrophologie und Umweltmanagement der Universität Gießen seine Datensätze. Noch als Erinnerung, das ist diese Hochschule, die von der Landesregierung für diesen Sozialstrukturatlas beauftragt worden ist – ich komme dann noch einmal dazu, denn darum geht es. Es ist Ihnen in keinster Weise - das ist meine Überzeugung - an neuen Erkenntnissen gelegen. Das kann ich Ihnen auch belegen. Ich zitiere Ihnen jetzt eine Antwort auf eine Kleine Anfrage unserer Fraktion, da heißt es nämlich: „Erstmalig werden mit dem Sozialstrukturatlas die wesentlichen verfügbaren Sozialstrukturdaten übersichtlich im Zusammenhang und bezogen auf die Regionen sowie Landkreise und kreisfreien Städte in Thüringen dargestellt.“ Es wäre wirklich zu wünschen, Sie würden erklären, auf welcher Datengrundlage das Ministerium bisher seine politischen Entscheidungen getroffen hat.

Darüber hinaus erklären alle von mir angefragten Sozialwissenschaftler unisono, dass es zudem auch kein Problem gewesen wäre, diesen Auftrag auch an einer Thüringer Hochschule durchführen zu lassen. Auch wenn Sie als Landesregierung es scheinbar den Thüringer Hochschulen nicht mehr zutrauen, wurde mir versichert, dass das Übertragen von Datensätzen in das Statistikprogramm SPSS auch an Universitäten des Freistaats sowohl gelehrt als auch gängige Praxis und somit möglich gewesen wäre. Im Übrigen wurden diese Informationen stets mit dem Hinweis garniert, dass ob der geringen Komplexität der Aufgabenstellung diese Leistungen in maximal sechs Monaten mit einer an Thüringer Hochschulen leider üblichen halben Stelle plus Hilfskraft zu schaffen gewesen wäre. Dies hätte nicht nur die Erstellungskosten mindestens um die Hälfte gesenkt, es hätten sich bestimmt auch die Thüringer Hochschulen ob der unerwarteten Drittmittel gefreut. Umgekehrt würde mich natürlich auch interessieren, wie viele Aufträge denn die hessische Landesregierung an Thüringer Hochschulen bisher vergeben hat, gerade weil es sich explizit um Thüringer Problemlagen gehandelt hat. Aber das scheint auch nicht sonderlich zu interessieren. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen weiterhin alles Gute für Ihre Politik im Sinne einer nachhaltigen Steigerung und Sicherung der Thüringer Hochschullandschaft.

14.06.2012 2820