Erstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Jugendstrafvollzugsgesetzes

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Liebe Kolleginnen und Kollegen, so einiges ist schon gesagt worden zur Einbringung und auch den Redebeitrag des Kollegen Meyer haben wir jetzt schon gehört. Grundsätzlich gilt, dass alle Gesetze von Zeit zu Zeit einer Prüfung unterzogen und wenn nötig aktuellen Entwicklungen angepasst werden sollten. So viel zu Grundlegendem, Kollege Hauboldt, wir kommen gleich auf den Inhalt. Allerdings muss ich Ihnen die Skepsis meiner Fraktion hinsichtlich der Richtung Ihres Gesetzentwurfs mitteilen. Es ist richtig, dass gerade im Jugendstrafrecht der erzieherische Gedanke keine kleine Rolle spielen sollte. Im Gegenteil, dank unseres fortschrittlichen Rechtsstaats hat das Jugendstrafrecht neben dem unumgänglichen Strafgedanken gerade auch die Chance, Entwicklungen der straffällig gewordenen jugendlichen Persönlichkeiten zu berücksichtigen. Soweit dürften wir uns einig sein. Aber, werte Kollegen der Linksfraktion, Sie müssen auch attestieren, bevor ein Jugendlicher in unseren Zeiten tatsächlich eine Strafe antreten muss, hat er sich zumeist mehrfach im Sinne geltender Gesetze schuldig gemacht und es haben sich alle bis dato gegebenen pädagogischen Maßnahmen als nicht zureichend erwiesen. Der Jugendstrafvollzug ist daher mitnichten eine Besserungs- oder Erziehungsanstalt. Zwar hoffen wir, dass ein Gefängnisaufenthalt auch eine erzieherische Wirkung hat - keine Frage -, aber er hat vor allem die Aufgabe, die Gesellschaft vor unbelehrbaren Jugendlichen zu schützen, also vor all jenen, die nachweislich eine Gefahr für sich selber, aber auch für andere darstellen könnten. In diesem Sinne könnten Sie sich tatsächlich auf Artikel 19 unserer Thüringer Verfassung berufen, auch wenn der eigentlich nichts mit Strafvollzug zu tun hat. In diesem heißt es in Absatz 1 - Frau Präsidentin, mit Ihrer Genehmigung zitiere ich: „Kinder und Jugendliche haben das Recht auf eine gesunde geistige, körperliche und psychische Entwicklung. Sie sind vor körperlicher und seelischer Vernachlässigung, Misshandlung, Missbrauch und Gewalt zu schützen.“ So weit, so gut. Das heißt, Kinder und Jugendliche sind nicht nur beispielsweise vor zerrütteten Elternhäusern zu schützen, sondern auch vor anderen kriminellen und gewalttätigen Jugendlichen. Ich mache diese Ausführung, um Folgendes herauszuarbeiten: Wir müssen sehr aufpassen, dass sich nicht das letzte Mittel des Rechtsstaats, nämlich der Strafvollzug, bloß in eine weitere pädagogische Maßnahme verwandelt. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Man möge alles tun, um Jugendlichen Chancen einzuräumen, wieder ein geschätztes und vollwertiges Mitglied der Gesellschaft zu werden. Aber wir dürfen bitte auch nicht die Augen davor verschließen, dass in einer JVA kein Platz für Kuschelpädagogik ist. Chancen bieten - ja, das Ergreifen von Chancen, Fördern - ebenfalls ja, aber wenn objektiv erkennbar ist, dass der Gefangene am Ende am Ziel des Strafvollzugs nicht mitwirken will, muss dieser auch
die Konsequenzen des eigenen Handelns spüren. Es ist für viele Betroffene vielleicht das erste Mal, dass ihnen hier jemand Grenzen setzt. Auch das darf gern als pädagogische Maßnahme verstanden werden. Auch wenn es jetzt sehr ins Detail geht, ich will Ihnen nur kurz an Ihrem eigenen Entwurf die Folgen Ihrer Initiative darstellen. Bis jetzt steht im Thüringer Strafvollzugsgesetz unter § 4 - Pflicht zur Mitwirkung - Folgendes - Frau Präsidentin, ich zitiere: „Die Gefangenen sind verpflichtet, an der Erreichung des Vollzugsziels mitzuwirken. Ihre Bereitschaft hierzu ist zu wecken und zu fördern.“ Sie wollen nunmehr aus der Pflicht zur Mitwirkung ein
Recht zur Mitwirkung machen. In völliger Unkenntnis der Sachlage entziehen Sie damit der Anstaltsleitung jedwede Möglichkeit, Fehlverhalten bzw. das Nichtmitwirken der Jugendlichen am Vollzugsziel ahnden zu können. Sie haben einfach nicht verstanden, dass auch bisher die Pflicht zur Mitwirkung ein individuelles
Recht der Gefangenen auf Nichtmitwirkung einschloss, nur musste der Gefangene bis jetzt mit Konsequenzen rechnen, wenn er sich objektiv gegen das Vollzugsziel gestellt hat. Bei Ihnen wird daraus ein „komm ich heut nicht, komm ich vielleicht morgen“. Dennoch werden wir einer Überweisung an den Ausschuss nicht im Wege stehen. Ich bin aber skeptisch, dass sich Ihre gut gemeinten Ansätze entsprechend in einem eigenen Antrag wiederfinden werden. Vielen Dank.

13.06.2012 2892