Gesetz zur Aufhebung des Thüringer Erziehungsgeldgesetzes

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bevor ich zur Begründung unseres Gesetzentwurfs komme, noch ein paar kleine Anmerkungen in Richtung Frau Siegesmund. Doch, aber Sie haben schon etwas geschrieben. Einfach zuhören, das mache ich dann auch. Ich freue mich heute - ich sage Ihnen auch warum -, dass es außer unserem Gesetzentwurf auch einen Ihrer Fraktion gibt. Das freut mich insbesondere, weil ich festgestellt habe, dass Sie des Lesens mächtig sind, das ist schon mal schön, und ich freue mich, dass Sie zumindest die Diskussion in der letzten Haushaltsberatung, speziell im Titel 08, verfolgt haben, da wir dort schon das Thüringer Landeserziehungsgeld mit einem Änderungsantrag abschaffen wollten. Ich freue mich, dass bei Ihnen diese Erkenntnis jetzt auch gewachsen ist. Auch wenn es lange dauert, ist es gut, wenn es irgendwann Früchte trägt. Es gibt ja die alte Weisheit „besser spät als nie“ - von daher herzlich willkommen im Kreis der Menschen, die es für wichtig halten, das Landeserziehungsgeld abzuschaffen. Eine kleine Sache darf ich Ihnen nicht ersparen, Frau Siegesmund, bei allem Lob. In der letzten Ausschuss-Sitzung des Ausschusses für Soziales, Familie und Gesundheit haben Sie mich mit so einer kleinen süffisanten Bemerkung begrüßt, ob ich denn sehr böse wäre, dass Sie uns jetzt den Gesetzentwurf zum Landeserziehungsgeld weggenommen haben. Aber da ich Ihnen nicht antworten konnte, will ich es heute machen, es passt ja ganz gut. Ich bin nicht böse. Das einmal vorweg. Ich bin da auch ganz nah bei Helmut Kohl, der einmal gesagt hat: Wichtig ist in der Politik, was hinten herauskommt, und von daher ist es gut. Sie dürfen des Öfteren mal in unserem Landtagswahlprogramm, auch in unseren Anträgen zum Haushalt einmal nachschauen. Wenn es dann das Ergebnis ist, dass wir das zusammen machen, dann ist es schön. Wir machen es übrigens auch. Wir lesen Ihre Sachen auch sehr aufmerksam und es gibt das eine oder andere, was uns zumindest zum Nachdenken anregt. Aber von daher, wie gesagt, herzlich willkommen im Club. Von daher schauen wir einmal, was wir gegen die Übermacht der Regierungsfraktionen machen können. Nichtsdestotrotz bleibt es richtig und wichtig, das Thüringer Erziehungsgeld abzuschaffen. Es wird Sie kaum verwundern, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die Argumente dieselben sind, die wir in diesem Jahr schon bei der Beratung des Haushalts im Kapitel 08 vorgebracht haben. Ich will, Frau Ministerin Taubert, aber trotzdem noch einmal daran erinnern, Sie hatten das in einer, wie ich meine, bemerkenswert sachlichen Argumentation ins Feld geführt und haben sich so einiger Argumente aus dem Tierreich bedient, die uns dann Unkenntnis zu verbergen vorgeworfen haben, dass wir uns mit Tieren, die so ein bisschen gefiedert sind, aufgeplustert haben, damit Sie unsere Unkenntnis nicht bemerken. Aber scheinbar hat sich die sachliche Unkenntnis in unserem Haus verbreitet und das ist gut so. Deswegen können wir heute noch einmal darüber reden, Frau Taubert. Das Thüringer Erziehungsgeld bleibt aus unserer Sicht jedenfalls unsozial, ungerecht und Ausdruck einer zutiefst konservativen Familienpolitik. Es verursacht gravierende Fehlsteuerungen und da sind wir uns mit der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einig - auch das will ich noch einmal sagen -, indem beispielsweise einige Familien ihre Kinder zu Hause lassen, für deren Kinder es besser wäre, in einer qualitativ hohen Kindereinrichtung betreut zu werden. Das Erziehungsgeld ist auch keine Maßnahme, die die pädagogische Arbeit der Eltern verbessern hilft,sondern ein rein fiskalischer Anreiz. Gerade um die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie den Anforderungen einer modernen Bildungspolitik gerecht zu werden, offeriert der Staat das freiwillige Angebot der Kindesbetreuung in den Kindertagesstätten, Herr Mohring. Wenn der Staat eingreift und Regelungsbedarf sieht, muss er sicherstellen, dass die eingesetzten Mittel auch in seinem Sinne verwendet werden. Genau dafür gibt es die gesetzlichen Regelungen und Verordnungen, die die Zulassungen, den Betrieb - Herr Mohring, hören Sie zu - und die Qualitätssicherung in den Kindertagesstätten festlegen. Dies ist im privaten Raum der häuslichen Kindeserziehung voraussichtlich schwer möglich. Die Frage der Gerechtigkeit, die von der CDU immer ins Feld geführt wird, ist ebenso ordnungspolitisch falsch. Die Erziehungspflicht liegt ganz allein in erster Linie bei den Eltern. Das bedeutet, dass auch alle Aufwendungen, die mit der Geburt einhergehen, zunächst einmal durch die Eltern selbst zu tragen sind. Da hilft auch ein Blick in die Verfassung. Hier sagt das Grundgesetz in Artikel 6 Abs. 2: „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht.“ Dazu sagt das Verfassungsgericht: Der Gesetzgeber kann im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit grundsätzlich selbst bestimmen, auf welche Weise er den ihm aufgetragenen besonderen Schutz der Ehe und Familie verwirklichen will. Finanzielle Leistungen des Staates an die Eltern sind also freiwillig. Jemanden zu fördern, das bedeutet nicht automatisch, ihn auch mit monetären Transferleistungen zu bedenken Geld ist zum Beispiel das Kindergeld, sehr oft hilfreich, aber nicht das einzige Mittel, Schutz und Förderung für Kinder sicherzustellen. Was aber in der Argumentation der CDU überhaupt nicht geht, ist, dass nur mit dem Thüringer Erziehungsgeld sichergestellt ist, dass die Wahlfreiheit der Eltern bleibt. Ich wüsste nicht, dass wir oder die GRÜNEN da abschaffen wollen. Wer sein Kind zu Hause erziehen will, der kann das selbstverständlich auch weiterhin tun. Es erwirbt schließlich niemand, der von einer finanziellen Leistung des Staates nicht profitiert - beispielsweise durch Zuschüsse des Landes an Kindertagesstätten -, automatisch das Recht auf eine Ausgleichszahlung. Die solidarische Finanzierung staatlicher Aufgaben beruht genau auf diesem Prinzip. Oder haben Sie schon einmal erwogen, demjenigen Steuern zurückzuzahlen, der keine Universität besucht hat? Wie Sie wissen, werden ja auch die Hochschulen aus allgemeinen Steuermitteln finanziert. Diejenigen, die ihre Kinder zu Hause erziehen wollen, haben also keinen originären Anspruch auf eine staatliche Leistung. Ganz im Gegenteil, die staatliche Leistung ist die Finanzierung der Kindertagesstätten. Wer diese nicht nutzen will, tut das in erster Linie freiwillig. Die aus Steuermitteln finanzierte sogenannte Herdprämie ist daher aus unserer Sicht abzulehnen. Wir als Thüringer FDP sprechen uns dafür aus, die durch eine Abschaffung des Thüringer Erziehungsgelds freiwerdenden finanziellen Mittel vollumfänglich zum Ausbau und zur Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen Betreuung in Kindertagesstätten einzusetzen. Dies ist eine nachhaltige Sozialpolitik und entspräche zudem den Erfordernissen unserer Zeit. Einen Unterschied zum Gesetzentwurf der GRÜNEN gibt es bei aller Übereinstimmung dann doch noch. Jetzt gehe ich noch einmal auf die Argumentation von Frau Pelke ein mit der Übergangsregelung. Wir wollen, dass das Thüringer Erziehungsgeld bereits ab dem 01.01.2011 nicht mehr neu beantragt werden kann. Das ist richtig. Das heißt aber, dass Anträge nur noch bis zum 31.12. gestellt werden können. Die Zahlungen enden damit für die Bescheide, die spätestens am letzten Tag des Jahres 2010 beantragt wurden, im Dezember 2011, da die Beziehdauer laut des bestehenden Gesetzes 12 Monate beträgt. Wer rechnen kann, bekommt es raus. Dies ist unserer Meinung nach genügend Zeit für einen Übergang, denn ein Thüringer Erziehungsgeld kann sich unser Freistaat nicht mehr leisten. Besonders schwer wiegt unserer Meinung nach der Umstand, dass wir uns als Nehmerland einen Luxus erlauben, von dem so manches Geberland nur träumen kann. Es ist absolut unverständlich, dass wir in Thüringen die Steuermittel verbraten, die in anderen Bundesländern durch Arbeitnehmer und Unternehmen erarbeitet wurden. Dies gehört zu einer Solidaritäts- und Gleichheitsdebatte ebenso dazu, Herr Mohring. Dies hat im Übrigen auch schon die Junge Union in Thüringen erkannt. Vielleicht lesen Sie dort mal nach, es sind sehr erkenntnisreiche Darlegungen. Eines noch - leider ist der Herr Matschie nicht da -: Es gibt in diesem Haus eine Fraktion, die sich heute besonders schwertun kann. Das hat man den Worten der Frau Kollegin Pelke schon angemerkt. Ich darf - Ihre Erlaubnis vorausgesetzt, Frau Präsidentin - ein Mitglied des Parlaments und den jetzigen stellvertretenden Ministerpräsidenten in einer
der letzten Plenarsitzungen zu diesem Thema zitieren. Herr Matschie hat in der letzten Legislatur richtigerweise festgestellt, dass „man mit dem Familienbild aus dem 19. Jahrhundert keine Politik für das 21. Jahrhundert machen kann“, dass „das Erziehungsgeld eine Politik gegen den Mehrheitswillen der Eltern in Thüringen ist“ und dass „generell und überhaupt das Thüringer Erziehungsgeldgesetz dazu führt, dass sich Eltern, die wenig Geld im Portemonnaie haben, häufiger für die Geldleistung entscheiden und nicht für die Kindereinrichtung“. Herr Matschie, Sie haben vollkommen recht mit Ihren Äußerungen. Ich bitte Sie lediglich darum, handeln Sie danach und belehren Sie uns eines Besseren, dass die hiesige SPD nicht nur über Ankündigungsminister verfügt, denn einer in Ihren Reihen ist schon mehr als genug. Vielen Dank.

08.01.2011 3189