Unabhängigkeit und Selbstverwaltung der Justiz in Thüringen ausbauen!

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, im Gegensatz zum Antragsteller sieht die FDP keinen Mehrwert für einen Systemwechsel hin zu einer richterlichen Selbstverwaltung, wie es beispielsweise auch der Deutsche Richterbund, aber auch indirekt der Antrag der Fraktion DIE LINKE fordert.

Die Justiz in Thüringen und in Deutschland insgesamt genießt weltweit einen glänzenden Ruf, ist personell und technisch gut ausgestattet und verfügt über hervorragende Richter und Staatsanwälte. Forderungen, wie sie vom Lobbyverband der Richterinnen und Richter kommen, rücken unsere Justiz in ein eher schlechtes Licht. Das hat sie nicht verdient. Die Personalauswahl erfolgt allein orientiert an leistungsbezogenen Kriterien und wird durch die starke Stellung der Präsidialräte effektiv kontrolliert. Dieser ist nach § 45 Thüringer Richtergesetz zu beteiligen bei

1. der Ernennung eines Richters, durch die ihm ein Amt mit höherem Endgrundgehalt verliehen wird;
2. der Versetzung eines Richters auf Lebenszeit,
3. der vorzeitigen Versetzung eines Richters in den Ruhestand,
4. der Entlassung eines Richters und
5. der Versetzung eines Richters in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit.

Die Richterschaft ist also in die Entscheidung bereits jetzt aktiv eingebunden. Zudem ist eine sich ausschließlich selbst verwaltende Richterschaft ohnehin verfassungsrechtlich unzulässig, da ihr dafür die
demokratische Legitimation fehlt. Aber auch das Selbstverwaltungsmodell des DRB ist zumindest politisch unklug. Vor allem geht es aber an der Realität in Deutschland vorbei.

Zur Verdeutlichung möchte ich an dieser Stelle einmal auf den Richterstreik im vergangenen Jahr in Spanien aufmerksam machen. In Spanien verwaltet sich die Justiz nämlich selbst. Spanien gehört also zu den Ländern, die der Deutsche Richterbund ganz offensichtlich als Vorbild ansieht, ein Vorbild, das allerdings in einem schlechten Ruf steht. Die spanischen Gerichte gelten als langsam, schwerfällig und nicht unbedingt unparteiisch. Ich darf hier die Stuttgarter Zeitung vom 19. Februar vergangenen Jahres zitieren: „Wahr ist, dass keine Institution in Spanien von den Menschen so gering geachtet wird wie die Justiz. Sie arbeitet langsam und ist gefürchtet für ihre Nachlässigkeit und für ihre Parteilichkeit.“ Als schmerzlich und deprimierend und als beispielhaft
für den gesamten Zustand der spanischen Justiz werden in dem Zeitungsartikel die Empfindungen der Sprecherin des spanischen Justizrates, Frau Gabriela Bravo, für den Zustand eines von ihr besuchten spanischen Gerichts beschrieben. Die spanischen Richter nämlich streikten für bessere Arbeitsbedingungen und beklagten, in ihrer Arbeit unterzugehen.

Wollen wir wirklich solche Zustände in unserem Land? In Deutschland gibt es gemessen an der Bevölkerungszahl fast dreimal so viele Richter wie in Spanien. Mich würde interessieren, was der Richterbund dazu sagt, dass die sich selbst verwaltenden spanischen Gerichte sich nach deutschen Verhältnissen sehnen. Die Justiz muss unabhängig sein, das ist ein Grundpfeiler unseres Rechtsstaates, aber das bedeutet nicht, dass sie sich auch selbst verwalten muss.

Ihre Aufgabe ist Rechtsprechung und nicht Verwaltung. Schon die These des Richterbundes ist falsch, wenn er meint, die Leistungsfähigkeit der Justiz sei gefährdet und die Justizministerien schaffen es nicht, die Justiz ausreichend mit Personal und Geld auszustatten. Gerade am aktuellen Haushalt in Thüringen haben wir gesehen, dass das nötige Personal innerhalb der Sozialgerichtsbarkeit schon bereitgestellt wird.

Die Gerichte in Thüringen und in ganz Deutschland sind schnell, effizient und gut. Die Justiz in Deutschland ist hochmodern ausgerüstet. Die Entscheidungen sind qualitativ auf einem hohen Niveau. So muss die Frage erlaubt sein, ob so eine Justiz aussieht, die kurz vor dem Kollaps steht. Worin besteht also der Änderungsbedarf? Der Justiz in Deutschland geht es deshalb so gut, weil ihre Interessen an den Kabinettstischen der Landesregierung unmittelbar vertreten werden vom jeweiligen Justizminister. Er hat ein ganz ursprüngliches vitales Interesse am Wohlergehen der Justiz, denn er ist es auch, der politisch direkt verantwortlich ist für das, was in der Justiz vor sich geht. Er wird für das verantwortlich gemacht, was schief läuft. Das Demokratieprinzip fordert eine klare demokratische Legitimation für diejenigen, die die Staatsgewalt ausüben. Dies ist im Übrigen auch mit der Besetzung des Richterwahlausschusses von 12 Personen, davon sind übrigens acht Abgeordnete, einige meiner Kollegen wissen das, gegeben.

Eine Direktwahl der Richter und Staatsanwälte, wie etwa in den USA, will aber, glaube ich, selbst der Richterbund nicht, was aber faktisch die logische Konsequenz aus den Befindlichkeiten und Forderungen des Richterbundes wäre. Daher stimmen wir diesem Antrag nicht zu. Aber, Herr Hausold, man möge mir noch ein paar Worte zum letzten Teil der Begründung ihres Antrags gestatten. Es ist schon erstaunlich, dass vier Diplomphilosophen der Linkspartei gemeinsam nicht in der Lage sind, herauszubekommen, was der Begriff des Neoliberalismus oder Ordoliberalismus meint, welchen Ursprung er hat und was er bedeutet. Das passiert dann, wenn man sich nämlich nur mit Frühsozialisten, wie Babeuf, Marx und Lenin beschäftigt. Ich will Sie ja nicht belehren, aber es sollte Ihnen doch wenigstens von Ihrer gründlichen Marx-Lektüre im Studium noch bekannt sein, dass es Liberale waren, die durch den langen politischen Kampf das Individuum zu einer Rechtsperson gemacht haben und dafür Sorge trugen, dass die Justiz nämlich unabhängig wurde und das Recht für jeden Menschen gleich gilt. Es ist auch nicht vergessen, wer es war, der diese kulturelle Leistung abgeschafft, den Menschen in Rechtlosigkeit zurückgeworfen hat und einen Justizapparat geschaffen hat, der Schwert und Schild einer Staatspartei, aber nicht der Verteidiger der grundlegenden Menschenrechte war. Sie haben hier erneut nichts anderes zu tun, als in politischen Kampfbegriffen zu denken und zu sprechen. Das zeigt für mich, wes Geistes Kind Sie noch immer heute sind und dass Sie aus der Geschichte nicht wirklich etwas gelernt haben. Vielen Dank.

23.07.2010 3372