Einzelplan 08 - Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit (Landeserziehungsgeld und Stiftung Thüringer Familien-Sinn)

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegin Siegesmund, Ihre Äußerungen zeigen mir, dass ich recht habe, was ich schon immer gedacht habe. Entweder Sie haben es nicht verstanden oder Sie wollen nicht zugeben, dass es Menschen gibt, die unterschiedliche Meinungen haben und die sie dann vielleicht noch vertreten. Unabhängig davon, dass man in einer Sache sehr wohl auch mal diskutieren kann und sich auch je nach Problem mal in den anderen hineinversetzen kann. Das war übrigens ein Rat, den ich Ihnen geben kann, nicht immer nur stur meine Problematik durchsetzen und alles andere interessiert mich nicht.

Versuchen Sie doch mal, so ein kleines bisschen auf Ihr Gegenüber einzugehen, und versuchen Sie, dass Sie merken, es gibt auch noch andere Aufgabengebiete, die wir hier bereden sollen und die auch wichtig sind. Umweltpolitik ist sicherlich wichtig, aber das politische Spektrum ist deutlich größer. Liebe Frau Ministerin Taubert, ich möchte gar nicht streng auf die insgesamt 42 eingebrachten Änderungsanträge eingehen, die ja bereits im Ausschuss abgelehnt wurden, sondern mir in Anbetracht der knappen Redezeit zwei Punkte herausgreifen, die die Position der FDP zu dem von Ihnen vorgelegten Haushalt deutlich werden lassen: Exemplarisch für das Politikverständnis gerade Ihrer Fraktion dürften die von Ihnen jahrelang mit Verve und Einsatz bekämpften zentralen Punkte des CDU Programms zur Familienförderung sein - zum einen das Landeserziehungsgeld und zum anderen die bereits mehrfach erwähnte Stiftung Thüringer Familien-Sinn.

Beides findet sich in wundersamer Weise in unveränderter Fassung im neuen Landeshaushalt wieder, an dem Sie als Regierungspartei maßgeblich beteiligt waren. Wie Sie das Ihren Mitgliedern und Wählern erklären, sollte nicht mein Problem sein, aber interessieren würde es mich schon. Es ist für mich absolut unverständlich, dass die SPD den aus unserer Sicht berechtigten Kampf dagegen mit dem Platznehmen auf der Regierungsbank plötzlich vergessen hat. Es ist schon interessant, dass jetzt sogar eine SPD-Ministerin dafür die politische Verantwortung zu tragen hat. Ich könnte meine politischen Überzeugungen nicht so einfach über Bord werfen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die FDP-Fraktion im Thüringer Landtag lehnt jedenfalls das Landeserziehungsgeld weiterhin kategorisch ab. Wir haben es hier mit einer staatlichen Maßnahme zu tun, die einzig und allein darauf abzielt, einem veralteten Familienbild und dadurch einer erhofften Wählerklientel gerecht zu werden.

Das Elterngeld verursacht gravierende Fehlsteuerungen, indem gerade die Familien ihre Kinder zu Hause lassen, bei denen eine gute Betreuung in einer qualitativ hochwertigen Kindereinrichtung empfehlenswert wäre. Es ist also kein pädagogischer Ansatz der Eltern, sondern ein fiskalischer Anreiz. Warum dies der Staat bei seinen knappen Ressourcen fördern soll, bleibt mir unverständlich. Auch kann ich nicht erkennen, weshalb hier die Frage der Gerechtigkeit seitens der CDU immer wieder ins Feld geführt wird. Es erwirbt niemand, der von einer finanziellen Leistung des Staates, beispielsweise Zuschüsse des Landes an die Kindertagesstätten, nicht profitiert, automatisch das Recht auf eine Ausgleichszahlung.

Diejenigen, die ihre Kinder zu Hause erziehen wollen, haben keinen originären Anspruch auf eine staatliche Leistung, ganz im Gegenteil. Die staatliche Leistung ist Finanzierung der Kindertagesstätten und wer dies nicht nutzen will, der tut dies in aller Regel freiwillig.

Meine Damen und Herren, auch ordnungspolitisch kann man diesen aus Steuermitteln finanzierten Maßnahmen nicht zustimmen. Die Erziehungspflicht liegt in erster Linie ganz allein bei den Eltern. Das bedeutet, dass auch alle Aufwendungen, die mit der Geburt einhergehen, zunächst durch die Eltern selber zu tragen sind. Finanzielle Leistungen des Staates gegenüber den Eltern sind also freiwillig. Wenn der Staat hier eingreift und Regelungsbedarf sieht, muss er sicherstellen, dass die Aufwendungen auch in seinem Sinne eingesetzt werden. Genau dafür gibt es die gesetzlichen Regelungen und Verordnungen, die die Zulassung, den Betrieb und die Qualitätssicherung in den Kindertagesstätten festlegen.

Ich kann mir kaum vorstellen, dass die Landesregierung so weit gehen würde, dies auch für das heimische Kinderzimmer beschließen zu wollen. Auch finanzpolitisch ist das Thüringer Landeserziehungsgeld eine Katastrophe. Sie wenden dafür jedes Jahr ca. 32 Mio. € auf. Dies entspricht im Übrigen ziemlich genau der Wirtschaftsleistung, die z.B. die Stadt Jena im Jahr 2009 durch Gewerbesteuern einnehmen konnte - nur noch mal zur Wahrnehmung der Summe. Für uns ist es klar, Frau Präsidentin, jetzt zitiere ich ein aktuelles Mitglied der Landesregierung, „dass man mit dem Familienbild aus dem 19. Jahrhundert keine Politik machen kann, die im 21. Jahrhundert gültig ist“, zweitens, „dass Sie eine Politik gegen den Mehrheitswillen der Eltern in Thüringen betreiben, dass die Konstruktion Thüringer Erziehungsgeld dazu führt, dass sich Eltern, die immer weniger Geld im Portemonnaie haben, häufig für die Geldleistung entscheiden und eben nicht für die Kindereinrichtung“, drittens, „dass es sozial ungerecht ist, aus ideologischen Gründen mit einem Familienbild aus ferner Vergangenheit Eltern, die über ein gutes Einkommen verfügen, ein Landeserziehungsgeld zu zahlen“, viertens, „dass wir uns das nicht leisten können in Thüringen“. Die Person, von der alle letztgenannten Zitate stammen, ist der jetzige stellvertretende Ministerpräsident und SPD-Bildungsminister Christoph Matschie, Landesvorsitzender einer Partei, die noch vor neun Monaten das Landeserziehungsgeld zum Teufel gewünscht hat.

Herr Matschie, das ist für mich klare Wählertäuschung. Dass Sie dann auf Ihrem Jubelparteitag in Ilmenau sich noch hinstellen und behaupten, die SPD ist der Reformmotor der Regierung, lässt mich stark an Ihrer Glaubwürdigkeit zweifeln. Noch zwei Worte zur Stiftung Thüringer Familien-Sinn: Wir haben das schon ausführlich gehört. Im Gegensatz zu Frau Siegesmund, die sich beklagt über das komplizierte Stiftungsrecht, sage ich: Wir wollen die Thüringer Stiftung Familien-Sinn nicht haben und wir werden prüfen, wie diese - vielleicht können wir es auch zusammen machen - abgeschafft wird. Lassen Sie uns diese Doppelstruktur abschaffen, die Personal- und Sachkosten jedes Jahr einsparen, um sowohl das Landeserziehungsgeld als auch das Stiftungsvermögen den Personen zukommen zu lassen, die es wirklich nötig haben. Vielen Dank.

21.07.2010 3313