Erfurt. Was hat Sozialministerin Heike Taubert in mehr als vier Jahren Amtszeit erreicht, was nicht? Eine Bewertung von Michael Backfisch.

Bessere medizinische Versorgung
Das steht im Koalitionsvertrag: Die medizinische Versorgung, vor allem in strukturschwachen Räumen, soll verbessert werden. Dabei ist insbesondere eine flächendeckende Versorgung durch Hausärzte geplant. Medizinstudenten, die sich im ländlichen Raum niederlassen, sollen ein Stipendium bekommen.

Das Thüringer Krankenhausgesetz soll novelliert werden. Vor allem die strukturschwachen Räume sollen angemessen versorgt werden.

Das wurde verwirklicht: Die Zahl der Ärzte in Thüringen hat deutlich zugenommen.

Bislang wurden 105 Ärzte-Stipendien bewilligt: Mediziner, die ihre Weiterbildung zum Facharzt machen, bekommen maximal fünf Jahre lang bis zu 250 Euro pro Monat. Bedingung: Sie arbeiten ein paar Jahre im ländlichen Raum.

Thüringen hat 39 Krankenhaus-Standorte. Mit dem aktuellen Haushalt bekamen die Kliniken Planungssicherheit bis 2020: Ab 2015 erhalten sie pro Jahr vom Land 50 Millionen Euro für Investitionen. Das Krankenhausgesetz wurde novelliert.

Das blieb offen: In einigen Regionen Thüringens gibt es nach wie vor einen Mangel an Hausärzten. Auch bei den Fachärzten gibt es regional beträchtliche Unterschiede.

Die Facharztplanung hängt an großen Verwaltungseinheiten: Zum Teil sind mehrere Gemeinden und Teile des Landkreises damit befasst. Taubert drängt darauf, dass die Verwaltungseinheiten bei der Facharztplanung kleiner werden.

Fazit: Die medizinische Versorgung in Thüringen ist je nach Region unterschiedlich. Die Sozialministerin kann hier allerdings nicht allein durchgreifen: So ist zum einen die Kassenärztliche Vereinigung im Spiel, zum anderen sind Kommunen und Landkreise wichtige Akteure.

Mehr Frauen in Führungspositionen
Das steht im Koalitionsvertrag: Das Thüringer Gleichstellungsgesetz soll novelliert werden. Ziel ist eine deutliche Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen. Gesetzliche Vorgaben sollen durchgesetzt werden.

Das wurde verwirklicht: Das Gleichstellungsgesetz wurde novelliert. Für den öffentlichen Dienst wurde vereinbart, dass 40 Prozent der Führungspositionen an das unterrepräsentierte Geschlecht gehen - in der Regel Frauen.

Mit dem Gesetz wurden Sanktionsmöglichkeiten für die Gleichstellungsbeauftragten eingeführt. Sie erhielten zum Beispiel ein Klagerecht für den fall, dass die Gleichstellung in einzelnen Bereichen nicht eingehalten wird.

Das blieb offen: Bei den Unternehmen sind Frauen in Führungspositionen nach wir vor stark unterrepräsentiert. Das liegt allerdings nicht im Verantwortungsbereich der Sozialministerin - für die Wirtschaft gibt es bundesweit keine Quote.

Fazit: Durch die Novellierung des Gleichstellungsgesetzes wurden für den öffentlichen Dienst Pflöcke eingerammt.

Ausbau der Altenpflege
Das steht im Koalitionsvertrag: Ein Seniorenbericht soll vorgelegt werden. Dieser Bericht soll unter anderem Informationen über den Bedarf an Pflegekräften liefern. Die Altenpflegeberufe sollen aufgewertet werden. Die Landesregierung will sich für "adäquate, tariflich gesicherte Entlohnung" einsetzen.

Ziel ist der Ausbau der Pflegestützpunkte in Thüringen. Neben dem bestehenden Stützpunkt in Jena soll in jeder der vier Planungsregionen mindestens ein Pflegestützpunkt errichtet werden.

Das wurde verwirklicht: Angesichts der relativ hohen Abwanderung von gut ausgebildeten Pflegekräften wurde 2012 ein Pflegepakt zwischen Ministerien, Pflegeträgern und Krankenkassen geschlossen.

In dem Pflegepakt wurde unter anderem festgeschrieben, dass Pflegevergütungen erhöht, das Image und die Beschäftigungsbedingungen verbessert und die tarifliche Entlohnung angestrebt wird.

In Pflegesatzverhandlungen wurden die Pflegesätze erhöht, tarifliche Vereinbarungen werden umgesetzt. Je nach Träger gab es bei den Pflegekräften Lohnsteigerungen von bis zu zehn Prozent.

Mit dem Seniorenmitwirkungsgesetz werden die Mitspracherechte der Senioren auf kommunaler- und Landesebene gestärkt.

Das blieb offen: Ein Seniorenbericht wird erarbeitet. Nach verschiedenen Studien fehlen in Thüringen bis 2030 rund 8000 Pflegekräfte. In der Vergangenheit wurden vereinzelt ausländische Fachkräfte - etwa aus Lettland oder China - angeworben. Aber damit kann die Lücke nicht geschlossen werden, zumal oft sprachliche Probleme dazukommen.

Das Ziel, in allen vier Planregionen - Nordthüringen, Mittel-/Westthüringen, Südthüringen und Ostthüringen - einen Pflegestützpunkt einzurichten, wurde nicht erreicht. Pflegestützpunkte sollen eine unabhängige Beratung zu den verschiedenen Varianten von ambulanter- und Heimbetreuung liefern. Bislang gibt es nur in Jena und in Nordhausen einen Pflegestützpunkt, ein dritter wird im Juli im Kyffhäuserkreis eröffnet.

Die Landesregierung hat zwar an die Pflegekassen die Anweisung gegeben, die Pflegestützpunkte einzurichten. Aber dies wurde bislang nur zum Teil durch die Kassen und Kommunen umgesetzt.

Fazit: Das Sozialministerium hat den Senioren mehr Mitsprache verschafft und mit dem Pflegepakt einen Meilenstein gesetzt.

Auf lange Sicht können jedoch Pflegekräfte nur im Land gehalten werden, wenn die Bezahlung und die Arbeitsbedingungen stimmen. Hier müssen allerdings die Träger mitspielen.

Bekämpfung des Rechtsextremismus
Das steht im Koalitionsvertrag: Jede Form von Extremismus, vor allem der Rechtsextremismus soll bekämpft werden.

Das wurde verwirklicht: Die Koalition hat 2012 ein "Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit" aufgelegt. Die Förderung wurde auf 3,7 Millionen im Jahr 2014 erhöht. Damit werden Opfer- und Aussteigerberatung, Beratung bei Sport und Feuerwehr sowie einzelne Projekte gegen den Rechtsextremismus gefördert. Die Bürgerbündnisse wurden einbezogen.

Taubert nahm an mehreren Demonstrationen gegen Neonazis teil. Bei der Vorbeugung gegen Rechtsextremismus gab es einen Konflikt zwischen Sozial- und Innenministerium. Taubert reklamierte den Bereich der gesellschaftlichen Aufklärung für das Bildungsministerium und ihr eigenes Haus. Sie setzte sich bei der Novellierung des Verfassungsschutzgesetzes mit dieser Forderung durch.

Fazit: Taubert hat den Kampf gegen Rechtsextremismus zu ihrer Herzensangelegenheit gemacht. Ihr ist eine kluge Verzahnung von Politik, Bürgerbündnissen und Gesellschaft gelungen.

Das sagt die Opposition:
Susanne Hennig-Welsow, Parteichefin der Linken: Das Sozialministerium hat es geschafft, sich weitgehend gegen die Kürzungswellen des Ministers Voß durchzusetzen. Allerdings ist wenig Vorwärtsweisendes zu erkennen.

So gibt es die Stiftung Familiensinn und das Erziehungsgeld nach wie vor, mit dem Seniorenmitwirkungsgesetz und dem Gleichstellungsgesetz wurden Fortschritte blockiert, und bei der Behindertenhilfe ist Stillstand zu verzeichnen.

Stephanie Erben, Landessprecherin der Grünen: Zwar wurde der schwarz-rote Koalitionsvertrag vom Sozialministerium der Reihe nach abgearbeitet, neue Akzente wie das Krankenhausgesetz oder der Pflegepakt konnten sich jedoch letztlich nicht durchsetzen.

Was bleibt, sind Gesetze als Minimalkompromiss der schwarz-roten Koalition. Gesundheits- und Sozialpolitik wurden verwaltet, nicht gestaltet. Der Kinderschutz wurde verwässert, nicht verbessert.

Marian Koppe , Gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion: Keine Maßnahmen gegen den Ärztemangel und das Apothekensterben auf dem Land, keine bedarfsgerechte Krankenhausplanung und keine zukunftsfesten Strukturen für die Pflege.

Die Politik des Zauderns und Zögerns bedeutet im Bereich des Sozialministeriums fünf versäumte Jahre für Thüringen. Das Zukunftsthema "Gesundheit" kann man nicht aussitzen, sonst ist die Versorgungssicherheit ernsthaft gefährdet.

Christian Gumprecht , Sozialpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion: Christine Lieberknecht hat der derzeitigen Sozialministerin ein gut funktionierendes Ministerium übergeben.

Wichtige Vorhaben wie das Thüringer Krankenhausgesetz, das Thüringer Heimgesetz oder die Schulsozialarbeit wurden durch die Koalition erfolgreich auf den Weg gebracht.

16.06.2014 Thüringer Allgemeine