Brainstorming zu Bildung am Bahnhof

Die Argumente gegen das am Saalfelder Bahnhof geplante Fachmarktzentrum sind bekannt: Die befürchtete Verödung der Innenstadt, die Kaufkraft steigt nicht mit noch mehr Einzelhandelsfläche, die Ansiedlung noch fehlender attraktiver Händler ist zweifelhaft. In einer gestrigen Gesprächsrunde in den Thüringen Kliniken verband der einladende Vorsitzende des Saalfelder Werberings e.V. Oliver Brömel die Kritik mit einem Ideenvorschlag, bereits veröffentlicht im marcus® 23/2013: Am Saalfelder Bahnhof nämlich statt eines Shoppingtempels Bildung anzusiedeln, ausgehend von einigen Stimmen, die vor allem die jetzigen Standorte der Medizinischen Fachschule (MeFa) als nicht praktikabel sehen. Wie dieser Vorschlag von Vertretern des Stadtrates, Kreistages und der Landespolitik sowie von Akteuren des medizinischen und pflegerischen Sektors gesehen wird, lotete das im Radio SRB live übertragene Forum, moderiert von Didi Bujack, aus.

Der Vorstoß erfuhr zunächst wenig Zuspruch: "Ich kann dahinter bisher nur einen Wunsch, keine konkreten Pläne entdecken", so Bürgermeister Matthias Graul. Er verwies auf ein gescheitertes Vorhaben des Städtedreiecks in den 1990er Jahren, als einzelne Klassen der Berufsakademie Gera in Rudolstadt angesiedelt werden sollten, um den vorwiegend aus der Region stammenden Schülern die Anfahrt zu verkürzen. "Dabei gab es damals weitaus mehr finanzielle Ressourcen für den Bildungssektor", unterstrich Graul. Einen Neubau auf der Brachfläche am Bahnhof sehe er als nicht machbar. Eine Absage an den Investor Saller, der in dem Areal bereits Grundstücke erworben habe, sei im Übrigen sicher nur noch unter Einbeziehung von Juristen möglich und für die Stadt sehr wahrscheinlich mit einigen Kosten verbunden. Was jedoch im Einzelnen am Bahnhof angesiedelt werde, räumte Graul ein, ist derzeit noch nicht geklärt. Landrat Holzhey, zur gleichen Zeit auf einer Tourismuskonferenz vertreten, meldete sich per Email zu Wort: Auch wenn er gegen noch mehr Einzelhandelsfläche in Saalfeld sei, sehe er keinen Sinn in einer Neuinvestition für eine medizinisch-pflegerische Bildungseinrichtung, so lange in Rudolstadt ausreichend räumliche Kapazitäten zur Verfügung stünden. "Die Hoffnung auf eine staatliche Hochschule in Saalfeld hält sich bei mir in geringen Grenzen", stattdessen könnte die Sabelschule zur privaten Fachhochschule qualifiziert werden. Jedoch machte er deutlich: Die Medizinische Fachschule muss in Saalfeld bleiben! Dies unterstützte auch MeFa-Leiterin Christine Knirsch: Die Nähe zu den Thüringen Kliniken ist für die Ausbildung ein wichtiger Punkt. "Unsere Schüler werden unter anderem von Ärzten ausgebildet, die nur aufgrund des kurzen Weges die Lehre in ihren Arbeitsplan integrieren können. Unsere Schüler hingegen können Visiten beiwohnen, Einblicke in die Dialyse und vieles mehr erhalten", so Frau Knirsch. Dr. Steffen Kania, selbst Ausbilder an der MeFa, bestätigte dies, gemeinsam mit AWO-Kreisverbandsvorsitzenden Andreas Krauße hat er deshalb einen Antrag im Stadtrat zu größeren Räumlichkeiten für die MeFa in Saalfeld eingebracht.

Internatsplätze für die Schüler, die u.a. aus dem Ilmkreis, Sonneberg oder auch aus Nordbayern kommen, würden jedoch benötigt, so Frau Knirsch. Die Hälfte der rund 1.000 Schüler wird derzeit in Rudolstadt ausgebildet, allerdings handelt es sich dabei um die Auszubildenden in den sozialen Berufen. Ihr Wunsch wäre ein größeres Gebäude in Nähe der Thüringen-Kliniken. Der Leiter des Schulverwaltungsamtes des Landkreises hingegen betonte, dass aus planerischer Sicht die bisherigen Standorte Saalfeld und die zwei großen Gebäude in der Trommsdorfstraße sinnvoll sind, finanzielle Mittel für einen Neubau seien illusorisch, zumal die Zahl der Schüler an den Schulen und Berufsschulen sinke. "Die Landespolitik wird sich hier nicht einmischen", war er sich sicher, da die Schulverwaltung Aufgabe des Landkreises sei. Das sah allerdings Marian Koppe, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Thüringer Landtag, anders. "Auch wenn die Schulstruktur starr ist: Das Land hat ein Mitspracherecht bei Berufsschulen und kann in Ausnahmefällen sehr wohl Einfluss nehmen", erklärte er. Die Ausbildungskapazitäten in Jena und Erfurt seien ausgeschöpft; wohingegen medizinischer und pflegerischer Nachwuchs aufgrund des demografischen Wandels in großer Zahl benötigt wird. "Ich kann mir gut vorstellen, dass der Landkreis ein Leuchtturm sein kann, denn so viele Vorreiter in diesen Bereichen gibt es in Thüringen nicht. Man muss gesellschaftlichen Veränderungen Rechnung tragen", so Koppe, und: Wenn es gelänge, den Freistaat davon zu überzeugen, sei alles möglich. Das müsse auf Grundlage eines tragfähigen Konzepts in "Mannschaftsarbeit" erfolgen, erklärte MdL Maik Kowalleck.

Für eine Aus- und Weiterbildung in Saalfeld sprachen sich ausdrücklich Sabine Kratky, Pressesprecherin der Apothekenkammer Thüringen und auch Andrea Brakutt vom Verband Physikalische Therapie (VPT) aus. Für die zahlreichen Weiterbildungen sucht der VPT etwa geeignete Räumlichkeiten und würde sofort in einem etwaigen Bildungszentrum anmieten; auch Übernachtungsmöglichkeiten und Gastronomie für die Teilnehmer sind am Bahnhof nicht gegeben. Sabine Kratky beobachtet: "Die Ausbildung der Apotheken-Berufe findet noch als nächstes in Jena statt. Wer jedoch einmal zur Ausbildung weggeht, kommt oft nicht wieder - dabei brauchen wir den Nachwuchs dringend." Eine interdisziplinäre Einrichtung sei eine Bereicherung. Sebastian Heuchel von den Bündnisgrünen warf weiterhin die Idee in den Raum, eine Forschungseinrichtung der Universität Jena oder auch Studentenunterkünfte am Bahnhof mit seiner Express-Verbindung nach Jena anzusiedeln.

Der Saalfelder Werbering, so Brömel abschließend, werde nun verstärkt das Gespräch mit den Landtagsabgeordneten suchen. In Sachen Fachmarktzentrum wird es schon heute konkreter: In der Stadtratssitzung soll die Eröffnung des B-Plan-Verfahrens beschlossen werden, welche das Bebauungsrecht herstellen soll. In diesem Zuge werden alle Grundstücksbesitzer des Areals (darunter auch die Deutsche Bahn und private Besitzer) sowie öffentliche Träger einbezogen, nach Zusage des Bürgermeisters auch der Werbering.

marcus Verlag

05.02.2014 www.meinmarcus.de