Drei Viertel der ambulanten Dienste suchen nach Fachkräften.

Erfurt. In kaum einem anderen Segment des Thüringer Arbeitsmarktes schlägt die Demografie derartig heftig zu wie in der Alten- und Krankenpflege: Während die Alterung der Bevölkerung sowohl die Pflegefälle und deren Dauer nach oben treibt und deshalb immer neue Heime und Betreutes-Wohnen-Anlagen errichtet werden, finden sich in der ausdünnenden Jugend des Landes immer weniger, die in einen Pflegeberuf gehen wollen. Die Folge: In immer mehr Einrichtungen und Pflegediensten fehlen Fach- wie Hilfskräfte.

Der Königseer FDP-Landtagsabgeordnete Marian Koppe , Gesundheitsexperte seiner Fraktion, hat sich diese allgemeine Erkenntnis von der Landesregierung jetzt mal in aktuellen Zahlen bestätigen lassen.

Demnach legten zwar die Altenpflegeheime seit 2010 von 278 auf 304 Häuser zu und deren Gesamtpersonal von knapp 10 000 auf jetzt fast 11 000 Beschäftigte, jedoch nahm die Zahl der Fachkräfte in Pflege und Betreuung nur um wenige Hundert zu. Macht unterm Strich akuten Personalmangel.

Im Herbst 2011 klagten schon 44 Prozent der Thüringer Pflegeeinrichtungen und -dienste über unbesetzte Stellen, Ende vorigen Jahres waren es bereits 65,3 Prozent und bei den ambulanten Einrichtungen sogar fast drei Viertel, die dringenden Bedarf an Personal reklamierten. Fürwahr eine mehr als rasante Entwicklung in einer Branche, die mit insgesamt über 40 000 Beschäftigten zu den größten im Freistaat gehört.

"Die bisherigen Bemühungen der Landesregierung, dem Fachkräftemangel in diesem überaus wichtigen Bereich entgegenzuwirken, blieben offenbar erfolglos", wertet Koppe die entsprechende Regierungsarbeit.

Nun ist auch beißende Kritik an Regierungshandeln zwar Aufgabe und Pflicht der Opposition. Gleichwohl tut die zuständige Sozialministerin Heike Taubert (SPD) schon etwas. Immerhin hat sie im April 2012 den Sozialwirtschaftsbericht Thüringen vorgelegt, der schon eine Menge der bösen Zahlen enthält. Und im November gleichen Jahres mit den Pflegebetreibern und den Krankenkassen den Thüringer Pflegepakt beschlossen, mit dessen Umsetzung ausweislich ihrer Antwort auf Koppes Anfrage "eine beim TMSFG angesiedelte interministerielle Arbeitsgruppe sowie drei Unterarbeitsgruppen" befasst seien. Zudem, so teilt Taubert mit, fänden derzeit auch in Thüringen "Kompetenzfeststellungen" statt, um mehr geeignete Umschüler in eine verkürzte zweijährige Altenpflegeausbildung zu vermitteln - konkret werden demnach zum 1. September 79 Umschüler die verkürzte Ausbildung beginnen, weitere 60 haben schon im April die reguläre dreijährige Ausbildung begonnen.

Wirksam allerdings kann die Umschüler-Verstärkung eben erst in zwei Jahren werden, zumal ihr Zusatzeffekt durch eine andere Entwicklung fast aufgesogen wird: Es kommen nicht nur immer weniger Junge in den Beruf, immer mehr halten zudem die Ausbildung nicht durch. Seit 2008 hat sich die Abbrecherzahl in der Altenpflege auf zuletzt 192 mehr als verdreifacht.

Angesichts der fatalen Entwicklung fordert Koppe,ausländischen Fachkräften die Arbeitsaufnahme im Freistaat zu erleichtern. Wenn es die denn hierher zieht statt in Landschaften mit lieblicheren Löhnen auch und gerade im Pflegeberuf.


Jens Voigt / 09.08.13 / OTZ

09.08.2013 TA - Thüringer Allgemeine