Carola Stauche, Thüringer CDU-Bundestagsabgeordnete, hat jüngst von Angela M. erfahren, dass es ihr in Thüringen offenbar nicht möglich ist, telefonisch oder online einen Antrag auf Betreuungsgeld zu stellen. Nicht nur Carola Stauche machen die politischen Spielchen wütend, auch FDP und SPD sind gegen die Hilfe.

Erfurt/Berlin/Essen. Stauche hat nachgeschaut, wie andere es machen. In Essen etwa können Informationen und Antragsformulare zum Betreuungsgeld bequem auf der Startseite unter www.essen.de angeklickt und heruntergeladen werden. In Thüringen wüssten dagegen die wenigsten, wo sie die Formulare für das Betreuungsgeld bekommen. So erkläre sich auch das "bislang angeblich geringe Interesse am Betreuungsgeld", erklärt sie. Angela M., Mutter eines bald einjährigen Sohnes, sei vertröstet worden, "dass man noch nichts Genaues weiß", so Stauche. M. habe ihr gesagt: "Diese politischen Spielchen machen mich wütend, denn ich bin heilfroh um jeden Cent, den es für Familien gibt. Ich will mich in den ersten Jahren intensiv um mein Kind kümmern. Wenn ich arbeiten würde, wäre ich erst um halb neun Uhr abends zu Hause. Das will ich nicht, solange mein Sohn so klein ist", zitiert Stauche die junge Mutter.

Es sind heftige Debatten, die sich um das Betreuungsgeld rankten. Und jetzt, da der 1. August ganz nahe ist, wird erneut aus ganz unterschiedlichen politischen Richtungen das Betreuungsgeld massiv kritisiert. Auch von der FDP, die im Bund mit der Union regiert und damit das Betreuungsgeld - wenn auch zähneknirschend - mit auf den Weg gebracht hat.

Der Thüringen FDP-Landtagsabgeordnete Marian Koppe setzt beim Landeserziehungsgeld an - und fordert im Namen seiner Fraktion erneut dessen Abschaffung. "Investitionen in den Kita-Ausbau sind wichtiger als staatliche Betreuungsgelder", sagt der sozialpolitische Sprecher der FPD-Fraktion. Für ihn ist klar, "dass das entscheidende Kriterium für eine moderne Familienpolitik die Betreuungsangebote sind - und keine rein finanziellen Anreize wie das Thüringer Landeserziehungsgeld oder das Betreuungsgeld des Bundes". Wenn bislang kein einziger Antrag aus Thüringen für das Betreuungsgeld des Bundes gestellt worden sei, bedeute dies, dass es offenbar auch keinen Bedarf für das Landeserziehungsgeld im Freistaat gebe, so Koppes Schlussfolgerung.

Stauche hält dem entgegen: "Statt über das Betreuungsgeld zu lästern, sollten die Menschen besser informiert werden, wo und wie es das Betreuungsgeld gibt. Vielleicht ändert sich das bald, aber bisher ist es selbst für Geübte schwierig, in Thüringen an Informationen zu kommen. Lieblingsprojekt hin oder her: Die Bürger haben ein Recht auf mehr Service", so die CDU-Bundestagsabgeordnete.

Doppelförderung im Freistaat ärgert auch die Liberalen

Der FDP-Sozialexperte dagegen verweist auf die "überdurchschnittliche Kinderbetreuungsquote in Thüringen und die vorhandene Infrastruktur an Betreuungsangebote". Um vereinzelte Engpässe in den größeren Thüringer Städten zu beheben und den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz für Kinder ab einem Jahr dauerhaft zu sichern, müssten die Landesmittel ausschließlich in die Kinderkrippen und -tagesstätten Thüringens investiert und nicht über ein Landeserziehungsgeld verkonsumiert werden, lässt er wissen. Er will "die Abschaffung der Doppelförderung im Freistaat".

Kein einziger Antrag bisher auf Betreuungsgeld in Thüringen: Das bewegt auch Birgit Pelke . Sie kommt zu dem Schluss: "Das Betreuungsgeld geht an den Wünschen und Bedürfnissen der Familien vorbei." In Thüringen - wie in ganz Ostdeutschland - spiele die Tradition und Akzeptanz der Kinderbetreuung in Kitas und der Berufstätigkeit von Frauen eine wichtige Rolle, so die Vize-Vorsitzende und familienpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion. Die Kitaversorgung in Thüringen - wo bereits seit drei Jahren durch Landesgesetzgebung ein Rechtsanspruch auf Kitabetreuung für einjährige Kinder besteht - sei flächendeckend gut.

Sozialministerin sieht Betreuungsgeldgesetz kritisch

So sei es fast allen Eltern möglich, ihr Kind in einer Kindertagesstätte betreuen zu lassen. Trotz dieser Vorreiterrolle Thüringens bestehe Handlungsbedarf in einigen der Thüringer Kitas: Dort seien Sanierungsmaßnahmen notwendig. Auch bei der Bezahlung der Erzieherinnen und Erzieher müsse es noch Verbesserungen geben, betont Pelke. "Deshalb wären die finanziellen Mittel für familienpolitische Maßnahmen in den Kommunen dringend nötig und weit besser angelegt" als beim Landeserziehungs- und Bundesbetreuungsgeld, macht Pelke deutlich.

Thüringens Sozialministerin Heike Taubert (SPD) sieht das Betreuungsgeldgesetz kritisch und bezweifelt dessen Wirksamkeit. "Mir erzählen junge Eltern, dass beide arbeiten wollen und müssen, um zum Lebensunterhalt der Familie beitragen zu können. Die meisten jungen Mütter können es sich schlichtweg nicht leisten, für 100 Euro im Monat daheim zu bleiben", so die Ministerin. Und Thüringens Bildungsminister Christoph Matschie (SPD) spricht beim Betreuungsgeld von "einer familienpolitische Fehlinvestition. Es wäre beim weiteren Ausbau des Kita-Angebots viel besser aufgehoben".

Angela M. hofft jetzt, das Betreuungsgeld endlich beantragen zu können. Über die Homepage des Thüringer Landesverwaltungsamtes könne der Antrag heruntergeladen werden, wurde ihr gesagt. Die TLZ ist dem Hinweis nachgegangen, hat auf der Homepage beim Bundesfamilienministerium nachgeschaut, wie es mit den Betreuungsgeldstellen in Thüringen geregelt ist. Hinweis dort: Die für den Antrag zuständige Stelle ist auf der Internetseite des Thüringer Landesverwaltungsamtes zu finden. Also weiter im Netz zum Landesverwaltungsamt: Doch dort kommt bei der Eingabe von "Betreuungsgeldstelle": kein Treffer. Den richtigen Hinweis gab es schließlich vom SPD-geführten Sozialministerium: http://www.thueringen.de/th3/tlvwa/antraege/ .

Gerlinde Sommer / 31.07.13 / TLZ

31.07.2013 TLZ - Thüringische Landeszeitung