Nach der Vorlage der aktuellen Studie zum Landeserziehungsgeld gerät die SPD jetzt unter den massiven Druck der Oppositionsparteien, die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen und das Landeserziehungsgeld abzuschaffen. Die Sozialdemokraten sind dafür, der Koalitionspartner CDU ist jedoch strikt dagegen.

Erfurt. Manchmal tut in einer aufgeheizten Debatte ein Blick zurück gut. In diesem Fall in den Koalitionsvertrag der schwarz-roten Landesregierung vom Oktober 2009. Dort steht: "Es besteht Einvernehmen, den Rechtsanspruch auf einen Platz einer Kindertageseinrichtung zu erweitern. Künftig soll dieser ab dem ersten Geburtstag des Kindes beginnen. Die Regelungen zum Landeserziehungsgeld werden entbürokratisiert. Das Landeserziehungsgeld wird künftig flexibel im Anschluss an das Bundeselterngeld für zwölf Monate gezahlt." Winfried Weinrich, der Leiter des Katholischen Büros, erinnert die sich heftig streitenden Koalitionäre in Erfurt an das, was sie vor zweieinhalb Jahren unterschrieben haben. Und er fordert sie auf, in der Diskussion um das Landeserziehungsgeld zur Sachlichkeit zurückzukehren. Die aktuelle Diskussion sei durch eine politische Instrumentalisierung des Themas gekennzeichnet.

Weinrich erinnert an ein paar Tatsachen: "Eltern tragen für die Erziehung ihrer Kinder eine hohe Verantwortung. Besonders in den ersten Jahren sind Zeit für die Kinder, finanzielle Unterstützung und gesicherte Betreuungsstrukturen wichtige Rahmenbedingungen." Nach seiner Einschätzung brauchen Kinder und Eltern beides - direkte Leistungen an die Familien und eine gut ausgebaute Kita-Infrastruktur -, "um in echter Wahlfreiheit für ihre konkrete familiäre Situation den richtigen Weg gehen zu können".

Die SPD hatte in dieser Woche eine neue Studie vorgelegt, die negative Auswirkungen des Landeserziehungsgeldes aufzeigen sollte. Unter anderem waren die Wissenschaftler zu der Erkenntnis gekommen, dass in Thüringen mehr Kinder zu Hause blieben (unsere Zeitung berichtete). Die CDU hatte diese Ergebnisse in Zweifel gezogen, was wiederum zu einer harschen Reaktion der Sozialdemokraten geführt hatte.

Nach der Vorlage der Studie gerät die SPD jetzt unter den massiven Druck der Oppositionsparteien, die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen und das Landeserziehungsgeld abzuschaffen. Die Sozialdemokraten sind dafür, die CDU ist strikt dagegen. Eine Mehrheit für die Abschaffung wäre vorhanden, denn auch Linkspartei, Grüne und FDP sind gegen das Erziehungsgeld. "Da sich herausgestellt hat, dass insbesondere Kinder aus ärmeren Familien Bildungschancen vorenthalten werden, muss die SPD die Reißleine ziehen", unterstreicht die gleichstellungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Karola Stange , die Haltung ihrer Fraktion. Für Anja Siegesmund , die Fraktionschefin der Grünen, sind die 310 Millionen Euro, die seit 1998 in das Landeserziehungsgeld und das Thüringer Erziehungsgeld geflossen sind, "sinnlos verpufft", ohne die wirtschaftliche Situation der Familien nachhaltig zu verbessern. Und die FDP sieht sich ebenfalls bestätigt: "Jede Form von Erziehungsgeld setzt einen gefährlichen Fehlanreiz", so Sozialpolitiker Marian Koppe .

23.05.2012 TLZ - Thüringische Landeszeitung