Sozialpolitik

Kommunen erhöhten Kita-Beiträge

Erfurt.
(mar) Die Kosten des neuen Kita-Gesetzes sind de facto auf Kommunen und Eltern abgewälzt worden. Das kritisieren Linkspartei und FDP ein Jahr nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes, das für die Kitas erhebliche Verbesserungen gebracht hat. Allerdings hat die Finanzierung des Gesetzes für viel Verdruss gesorgt. Viele Kommunen hatten die Elternbeiträge in den vergangenen Monaten drastisch erhöht, um die Kosten abzufangen. Das war die Folge einer unklaren finanziellen Regelung im Gesetz. FDP-Sozialpolitiker Marian Koppe setzte sich für eine bedarfsgerechte Betreuung in den Kindergärten ein. Es gehe nicht an, dass die Träger nach einem vorgegebenen Schlüssel gezwungen würden, zusätzliches Personal einzustellen und ihnen nicht die entsprechenden Mittel zur Ausfinanzierung zur Verfügung gestellt würden. SPD-Familienpolitikerin Birgit Pelke wies die Kritik an dem Gesetz entschieden zurück. Thüringen sei mit der durch die Kita-Reform ermöglichten Einstellung zusätzlicher Erzieherinnen auf einem guten Weg, sagte sie. Ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes habe man in Thüringen mehr als 1200 zusätzliche Mitarbeiter im Kita-Bereich. Die Linkspartei hatte Kritik an der Personalausstattung geübt. Kommentar/Landesspiegel

Kommentar
Großer Eltern-Frust
von Hartmut Kaczmarek

Um die Kita-Versorgung beneiden uns viele, vor allem in Westdeutschland. Erst jüngst hat ein Ländermonitor über frühkindliche Bildungssysteme Thüringen bei den Ganztagsangeboten für Kinder ab drei Jahren bundesweit eine Spitzenposition attestiert. 91 Prozent dieser Mädchen und Jungen besuchen in Thüringen eine Kita. Keine Frage auch. Das nach hartem Ringen vor einem Jahr in Kraft getretene neue Kita-Gesetz hat deutliche Fortschritte bei der Betreuung gebracht, hat die Erzieherinnen und Erzieher in den Einrichtungen entlastet, hat Nachwuchskräften Chancen eröffnet. Aber ohne den zuvor erfolgten öffentlichen Druck, ohne das Engagement vieler Eltern wäre das Kita-Gesetz in dieser Form wohl nicht zustande gekommen. Die SPD hat mit dem Kita-Gesetz eines ihrer Wahlversprechen erfüllt. Das kann Christoph Matschie durchaus auf der Habenseite für sich verbuchen.
Allerdings wurde dieser Erfolg schon bei der Frage der Finanzierung so verwässert, dass heute in Kommunen und bei vielen Eltern eher Verärgerung als Zufriedenheit herrscht. Unklare und undurchschaubare Regelungen haben dazu geführt, dass an vielen Orten die Eltern die Zeche für die Verbesserungen zahlen müssen, weil ihre Beiträge von den am finanziellen Krückstock gehenden Kommunen erhöht werden mussten. Das Versprechen, dass die Eltern für die Verbesserungen nicht aufkommen sollten, hat sich in Luft aufgelöst, weil es nicht gelang, die dafür notwendigen 90 Millionen Euro zweckgebunden an die Kommunen zu überweisen. So bleibt ein Jahr danach viel Licht, aber auch viel Schatten. Und vor allem viel Frust bei den Eltern.

Landesspiegel
Weniger neue Erzieherinnen als erwartet

Linkspartei kritisiert das Kita-Gesetz
Erfurt. (dapd) Ein Jahr nach seinem Inkrafttreten ist das Kita-Gesetz nach Ansicht der Opposition noch immer nicht ausreichend umgesetzt. So sei die Zahl der bislang neu geschaffenen Erzieherstellen hinter den Erwartungen zurückgeblieben, sagte Linke-Familienexpertin Margit Jung. Auch bei der Finanzierung und Betreuungsqualität gebe es nach wie vor erheblichen Verbesserungsbedarf. Die Grünen würdigten das Gesetz im Kern zwar als "gut und richtig", kritisierten aber ebenso dessen Umsetzung. Dagegen hatte die Landesregierung das Kita-Gesetz erst kürzlich als Erfolg gewertet.
Jung verwies auf Zahlen des Statistischen Landesamts: Demnach haben die Kitas seit März 2010 binnen eines Jahres 1220 zusätzlich Stellen geschaffen. Jung zufolge stieg in der Zwischenzeit aber auch die Zahl der betreuten Kinder, weshalb effektiv bloß etwa 1000 Stellen wirklich neu entstanden seien - die übrigen wären wegen des Betreuungsschlüssels ohnehin nötig gewesen. Darüber hinaus gebe es immer noch zu große regionale Unterschiede in der Qualität der Betreuung sowie bei der Fortbildung und Bezahlung von Erziehern.
Nach Auffassung der Linken ist das Gesetz zudem, anders als von der Landesregierung dargestellt, keineswegs voll ausfinanziert. Durch die unterschiedliche Finanzstärke der Kommunen und fehlende Unterstützung durch das Land seien einige Gemeinden vielmehr dazu gezwungen, die Elternbeiträge zu erhöhen. Auch die FDP kritisierte, dass die Abwälzung der Mehrkosten zulasten der Kommunen ohne finanzielle Absicherung durch das Land letztlich die Eltern treffe - und damit das sozialpolitische Anliegen der Reform ad absurdum führe.
Grünen-Bildungsexpertin Astrid Rothe-Beinlich forderte einen transparenten Zeitplan von der Landesregierung, wann und wie die ursprünglich geplanten 2500 zusätzlichen Erzieherstellen geschaffen werden sollen. Immerhin liege Thüringen trotz guter Gesetzeslage beim Betreuungsschlüssel "immer noch deutlich hinter vielen anderen Bundesländern".
Die SPD verwies darauf, dass bereits ein Jahr nach der Novelle knapp die Häfte der angepeilten Zusatzstellen in den Kitas geschaffen worden sei. "Für mich ist das kein Problem, sondern ein großer Erfolg", sagte Familienexpertin Birgit Pelke. Um das Soll zu erfüllen, bleibe noch bis zum 1. August 2013 Zeit. Zudem verließen noch dieses Jahr 2000 pädagogisch qualifizierte Absolventen die Thüringer Hochschulen. "Angesichts dieser Zahlen sollte man die weitere Entwicklung beim Kita-Persopnal mit deutlich mehr Gelassenheit betrachten", unterstrich Pelke.
Das Gesetz war im August 2010 in Kraft getreten. Es sieht unter anderem den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz ab dem ersten Geburtstag und die Schaffung von 2500 zusätzlichen Stellen vor. Nach Auffassung von Kultusminister Christoph Matschie (SPD) befindet sich Thüringen derzeit auf einem guten Kurs, letzteres Ziel bis 2013 umzusetzen.


02.08.2011 TLZ - Thüringische Landeszeitung