Europapolitik

Umwelt- und Klimaschutz im europäischen Kontext stehen im Mittelpunkt der diesjährigen Tour des Radiosenders Jump. Gestern machte sie auch in Sonneberg - in der Regelschule Bürgerschule - Station.

Von Stefan Löffler

Sonneberg -"Wie viel Kohlendioxid verträgt gute Musik?" beziehungsweise "Wie viel Kohlendioxid verträgt Europa?"- das ist das Motto der Jump-Schultour 2011, die gestern auch in der Regelschule Bürgerschule Station machte. Besser hätte man hier die Aktion aber mit "Auf der Suche nach Europa" überschreiben sollen. Denn obwohl sich viele Bürgerschüler durchaus wacker schlugen, was zum Beispiel geografische Detailfragen im Zusammenhang mit Europa betraf, taten sich doch in der Diskussionsrunde "Thüringen in Europa" der Neuntklässler der Schule mit Landespolitikern erschreckende Löcher auf. Insbesondere, was das Wissen über die politische und ökonomische Bedeutung Europas für Deutschland und alle seine Bürger und auch was die Strukturen und Organe der EU angeht, zeigten sich Defizite. Zu einem gewissen Anteil dürften diese auf bloßes Desinteresse zurückzuführen sein, wie für genau Hinhörende dem leisen Schülergeflüster zu entnehmen war. "Ich will endlich hier raus", raunte denn auch ein Schüler aus den hinteren Reihen seinen Klassenkameraden zu, als die Politiker versuchten, die Diskussion - eher ein dreiviertelstündiger Krampf - immer wieder künstlich von Neuem anzufachen, letztendlich erfolglos.

Trotz intensiver Bemühungen seitens der Landtagsabgeordneten Beate Meißner (CDU) und Marian Koppe (FDP) sowie von Klaus Jörg Kubitzki, des Europa- und politischen Sprechers der Fraktion der Linken im Thüringer Landtag, gelang es nicht, einen echten Austausch zustande zu bringen. Da halfen auch anschauliche Beispiele und gedankliches Brückenbauen genau so wenig wie das Locken mit kleinen Preisen und diversen Mitbringseln. Aktueller Anlass, diese Diskussionsrunde mit den Politikern in das Jump-Programm einzubringen, war die Unterzeichnung der Vereinbarung zur Unterrichtung und Beteiligung des Thüringer Landtags an EU-Angelegenheiten, ein wichtiger Meilenstein für mehr Mitsprache in der Europäischen Union, der die Rechte des Parlaments in EU-Angelegenheiten stärkt. Nach ausgiebiger persönlicher Vorstellung hatten die drei Landespolitiker auf verschiedene Art und Weise versucht, die 27 Neuntklässler an die Thematik heranzuführen. Meißner, die unter anderem Mitglied im Ausschuss des Landtages für Justiz-, Bundes- und Europaangelegenheiten ist, verwies darauf, dass bereits acht Milliarden Euro EU-Fördergelder nach Thüringen geflossen sind und 70 Prozent der Gesetze hierzulande auf europäischer Ebene auf den Weg gebracht werden. Koppe erklärte den jungen Leuten: "Es gibt keine Alternative zur EU. Es geht also nicht um ein Ja oder Nein, sondern um die Frage: Wie gestalten wir Europa?" Kubitzki hingegen verwies auf die innerhalb der EU angestrebte Vereinheitlichung der Schulabschlüsse und auf Beispiele aus der eigenen Familie: die Tochter absolvierte zwei Studiensemester im Ausland, der Sohn ein mehrmonatiges Auslandspraktikum. Beides sei auch gut zur Auffrischung ihrer Fremdsprachenkenntnisse gewesen.

Meißner, Koppe und Kubitzki versuchten mit noch vielen Beispielen das Interesse der Jugendlichen zu wecken, doch wollte eine echte Diskussion, trotz vielfacher Anläufe, nicht so recht in Gang kommen. Nicht gerade förderlich war dafür auch, dass selbst bei diesem Auftreten vor Schülern sich das hinlänglich bekannte parteipolitische Schützengraben-Geplänkel abspielte - zum Beispiel wenn Kubitzki im Anschluss an fast jede Ausführung Meißners jeweils schmunzelnd erklärte: "Ja wenn das denn so einfach wäre..." und diese hierauf protestierte. "Wenn ihr uns nicht fragt, dann fragen wir eben euch", erklärte sie schließlich gegenüber den Schülern. Und schon startete die Fragen-Offensive. Nun kamen wenigstens einige knappe Antworten aus den Schülerreihen. Letztendlich erklärte Bürgerschulleiter Wilfried Luther: "Wie man sieht klaffen Jugend und Politik weit auseinander, obwohl auch die Schüler täglich von den Auswirkungen letzterer berührt werden." Und Meißner konstatierte: "Jetzt weitermachen hat keinen Sinn." Als sie noch einige Bücher und Broschüren über die EU sowie Schreibblöcke und Schlüsselbändchen in den EU-Farben verteilte und ein Wiederkommen versprach, wenn die Schüler das Thema im Unterricht näher beleuchtet haben, entlockte dies einem der Mädels in den Bankreihen nur ein Gähnen. Wesentlich intensiver war da schon die Beteiligung und das Interesse der Bürgerschüler an den anderen Stationen der Jump-Schultour, so am Jump Soccer Court in der Turnhalle, am Jump Green Music Dome auf dem Schulhof oder am Europa-Quiz. Bei letzterem war zunächst am Europa-Glücksrad zu drehen. Die dabei erreichte Zahl entsprach sodann der gewonnenen Punktzahl, wenn man dann die von Raoul Wawrzynek gestellten Fragen noch richtig beantwortete. Die konnten recht einfach sein, manchmal aber auch knifflig.Dass es sich bei dem See, der gleichzeitig an die Bundesrepublik, an Österreich und die Schweiz grenzt, um den Bodensee handelt, war vielen Teilnehmern sofort klar. Für das Dreier-Team Laura Bornkessel, Sebastian Heßler und Katrin Roth (alle Klasse 6/1) war dies die einfachste Frage überhaupt. Schwieriger war für sie schon, aus den vier Vorgaben Frankreich, Marokko, Italien und Niederlande das Land herauszufinden, das kein EU-Mitglied ist. Und seien sie ehrlich: Würden sie selbst wissen, welcher Religionszugehörigkeit die Mehrheit der Malteser ist? (Die Lösung: römisch-katholisch).

Beim Europa-Quiz haben alle, die über 50 Punkte erreichen, den Hauptpreis zu erstreiten. Insgesamt hielt Wawrzynek 50 bis 70 Fragen bereit. Gleich nebenan konnten die Schüler bei Michael Bechter und Jana Aschekowski, der Koordinatorin der Jump-Schultour, auf einer großen Europa-Karte selbst ihre Wunschroute für eine einwöchige 3000-Kilometer- Klassenfahrt planen. Grundvoraussetzungen: Eine solche Tour muss am Jump-Stammsitz Halle starten und unterwegs Brüssel, den Hauptsitz der EU, berühren. Zudem darf sie nur durch EU-Staaten führen. Nun gilt es für die interessierten Klassen, bis spätestens 4. Juli ein
Konzept einzureichen, denn die Tour muss enge Berührungspunkte zur Thematik "Umwelt und Europa" aufweisen. Koordinatorin Aschekowski betont: "Teilnehmen können auch Schulen und Klassen, die nicht von unserer Jump-Tour berührt werden." Umwelt und Europa war auch Thema in dem die Tour begleitenden Umweltbus. Der fasst nahezu ein komplettes Klassenzimmer. Dort konnten die Schüler kleine Experimente zum Thema alternative Energien durchführen und dazu verschiedene Gerätschaften wie Mini-Wasserräder und ähnliches zusammenbauen. Das sechsköpfige Jump-Team und das fünfköpfige Team der EU-Kommission, welche die Jump-Schultour unterstützt, wurde in Sonneberg von Annegret Müller begleitet. Die 22-Jährige, die Kommunikations- und Medienwissenschaften studiert hat und seit Januar beim Schülermagazin "Spießer" (Dresden), gestaltete gemeinsam mit Sibylle Lottes, Lehrerin an der Bürgerschule, einen ganztägigen Medienworkshop mit dem zehnköpfigen Team der Schülerzeitung der Schule. Wie der ablief und was die jungen "Redakteure" daraus mitgenommen haben - das ist schon wieder eine andere Geschichte.


21.06.2011 Freies Wort