Landtag

Der Landtag will heute energiepolitische Konsequenzen aus der Atomkatastrophe in Japan diskutieren. Freies Wort sprach im Vorfeld mit für den SON-Kreis zuständigen Abgeordneten
übers Thema.


Sonneberg-Die Geschehnisse um die Atomkraftwerke (AKW) in Japan halten auch hierzulande das Interesse an der Atomdebatte aufrecht. Ist für manchen schon die Laufzeit-Aussetzung für ältere deutsche AKW ein Streitthema, so erst recht ein eventueller totaler Ausstieg aus der Atomindustrie. Freies Wort fragte die für die Region zuständigen Landtagsabgeordneten: Wie stehen sie zu beidem?

CDU-MdL Beate Meißner erklärte dazu: "Ich begrüße die Entscheidung unserer Bundeskanzlerin. Sie hat mit ihrem Moratorium und der vorläufigen Abschaltung älterer AKW einen Rahmen geschaffen, in dem über Konsequenzen aus den beängstigenden Geschehnissen in Japan gründlich nachgedacht werden kann." Ihre Überzeugung: "Die Kernkraft kann nur eine Brückentechnologie sein, die wir hinter uns lassen müssen, auf die kurzfristig jedoch nicht verzichtet werden kann. Um diesen Zeitraum zu verkürzen, setzt Thüringen seit Jahren auf die Erneuerbaren Energien und wird deren Entwicklung weiter forcieren. Dabei müssen wir jedoch berücksichtigen, dass
Wirtschaft und private Haushalte auch zukünftig auf bezahlbare Energie angewiesen sind."

Ähnlich sieht das ihr Parteikollege MdL Henry Worm. Auch er begrüßt das präventive Vom Netz-Nehmen. Er warnt aber auch: "Alle AKW hierzulande insgesamt stillzulegen, hätte für die Stromversorgung unabsehbare Folgen. 2009 betrug der Anteil der Kernenergie an ihr zirka 23 Prozent, wenn man den Grundlaststromversorgungsanteil betrachtet, sogar 48 Prozent. Die Nutzung ausschließlich regenerativ erzeugter Energie ist derzeit wegen nicht vorhandener ausreichender Speichermöglichkeiten kaum möglich. Bei 143 AKW in Europa ist der in Deutschland erzeugte Atomstrom derzeit ein wichtiger Faktor, um im Bereich der Strompreise international wirtschaftlich wettbewerbsfähig zu bleiben."

Wenn schon, dann völlig

MdL David Eckardt (SPD) erklärte zur Problematik: "Die Abschaltung älterer AKW ist nur ein Anfang. Die Abschaltung aller deutschen Atommeiler muss die logische Konsequenz und das Ziel sein." Und er gibt zu bedenken: "Auch die Beseitigung des atomaren Mülls und seine Kosten spielen in der Diskussion der Energiefrage leider nur eine untergeordnete Rolle. Sogleich brauchen wir einen zügigen Ausstieg aus der Atomkraft, verbunden mit dem Ausbau erneuerbarer Energien und der Stromnetze, damit die Energiewende nachhaltig gelingen kann. Denn es wäre doch janusköpfig, hier aus der Produktion von Strom aus Atomenergie auszusteigen und dann wegen zu geringerer Kapazitäten eben jenen Strom aus anderen Ländern einzukaufen."

Den völligen Ausstieg propagiert auch Linke-MdL Knut Korschewsky: "Es geht um mehr als die Laufzeit-Aussetzung für ältere AKW. Die Linke steht für die Einleitung des sofortigen, unumkehrbaren und schnellstmöglichen Totalausstiegs aus der Atomenergie. Zudem verfolgt sie seit Jahren das Ziel, Thüringen zum Musterland für dezentrale Energieerzeugung, -verteilung und -nutzung aus 100-prozentig Erneuerbaren Energien spätestens ab 2040 zu machen." Korschewsky zu Details, wie das zu realisieren ist: "Dazu gehören auch die Rekommunalisierung der Stromnetze und eine völlig neue Netzphilosophie. Die erneuerbaren Energiequellen ermöglichen nämlich die Rückkoppelung der Räume der Energienutzung und des Energieverbrauchs mit den Räumen der Energiegewinnung. Das heißt: Die Energie kann konsequent dort erzeugt werden, wo sie gebraucht wird. Das bedeutet im Umkehrschluss: Leitungssysteme quer durch die Republik wie die 380-KV-Leitung sind unnötig."

Unredlichkeit vorgeworfen

MdL Marian Koppe (FDP): "Atomkraft ist eine Brückentechnologie. Dies bedeutet, dass keine ernst zunehmende Partei in Deutschland ein langfristiges Festhalten an ihr oder gar ihren Ausbau fordert. Die einzige Frage, in der es Unterschiede gibt, lautet, wie der Ausstieg letztlich organisiert werden soll. Die FDP setzt sich dabei für eine vernünftige Exit- Strategie ein. Ein hopplahopp kann niemand wollen. Daher gilt es zu beachten: 1. erneuerbare Energien auszubauen, damit wir nicht auf Atomkraft aus Nachbarländern angewiesen sind, 2. ein Stromnetz zu etablieren, so dass dezentral gewonnener Ökostrom (Windkraft, Wasserkraft, Biogasanlagen) auch tatsächlich zu den Verbrauchern gelangen kann und 3. den Strom für Verbraucher und Wirtschaft bezahlbar zu halten. Dies alles ist nicht von heute auf morgen möglich. Wer wie die Grünen den sofortigen Ausstieg auf Bundesebene fordert, jedoch Windkraftanlagen und Stromtrassen (zum Beispiel die 380 KV-Leitung) regional bekämpft, der handelt unredlich." Zu den Forderungen nach sofortiger Abschaltung erklärt er: "Ich gebe
aber zu bedenken, dass man ein AKW nicht einfach abschalten kann. Das muss man auch den Menschen ehrlich sagen. Man kann es zwar vom Stromnetz trennen, allerdings laufen die Kernspaltungsprozesse in den Anlagen weiter."

Von Anfang an gefordert

MdL Jennifer Schubert (Bündnis 90/Die Grünen) verweist auf die traditionelle Linie ihrer Partei in der Atomkraft-Frage: "Schon in unserer Gründungsgeschichte war das Thema allgegenwärtig, da die Inbetriebnahme der AKW Biblis A und B oder Neckarwestheim in diese Zeit fallen. Laut Atomkonsens, den die rot-grüne Bundesregierung 2000 vereinbarte, sollten genau diese AKW 2010 vom Netz gehen. Mit der Laufzeitverlängerung von 2010 wurde dies jedoch rückgängig gemacht - für mich eine fatale Entscheidung." Angesichts Japan und in Erinnerung an Tschernobyl (1986), Harrisburg (1979) und so viele andere Störfälle plädiert Schubert für einen kompromisslosen Ausstieg. Was bisher geschah, ist ihr zu wenig: "Das dreimonatige Moratorium reicht dazu nicht aus und ist meines Erachtens lediglich den bevorstehenden Landtagswahlen geschuldet." Ihre Überzeugung: "Wir müssen unsere Kraft verstärkt in den Ausbau der Erneuerbaren Energien stecken, statt diese wie bisher durch die Bundesregierung geschehen, auszubremsen. Auch braucht es verstärkte Anstrengungen, die Energieeffizienz voranzubringen und die Stromnetze auszubauen. Als grüne Landtagsfraktion, die sich dafür einsetzt, haben wir beispielsweise bereits 2010 eine Windenergietagung veranstaltet. Im Herbst wird es eine weitere Tagung zum Thema Energieeffizienz- und Einsparung geben."

Angesichts all der Forderungen nach einer Forcierung des Ausbaus regenerativer Quellen gibt MdB Carola Stauche (CDU) zu bedenken: "Nachhaltige energiepolitische Entscheidungen sind stets mit besonderen Schwierigkeiten verbunden. So stoßen Windkraftanlagen und Netzausbau- Maßnahmen generell regelmäßig auf Widerstand. Die Nutzung von Bioenergie wird immer wieder durch die Tank oder Teller-Diskussion zurückgeworfen. Und Solarenergie ist derzeit noch sehr teuer."


24.03.2011 Freies Wort