Gesundheitspolitik

Von Elmar Otto

Erfurt. Philipp Rösler ist sehr leistungsorientiert. Das ist nicht nur daran zu erkennen, dass er mit gerade mal 36 Jahren Bundesgesundheitsminister wurde.
Gut ein Jahr später hat der Liberale eine - wenn auch weiterhin sehr umstrittene - Gesundheitsreform durchgesetzt und ist zu Gast bei den Parteifreunden der Thüringer Landtagsfraktion. Es geht unter andere darum, dass auch 20 Jahre nach der Wende Zahnärzte im Osten immer noch etwa zehn Prozent weniger verdienen als ihre Kollegen im Westen. FDP-Gesundheitsexperte Marian Koppe setzt sich diesbezüglich für die Durchsetzung der im Koalitionsvertrag der schwarz-gelben Bundesregierung festgeschriebenen Angleichung noch in dieser Legislaturperiode ein.
Es geht aber zudem darum, dass die Vergütungssituation von Hebammen inzwischen wohl teilweise als prekär zu bezeichnen ist. Was daran liegt, dass ihre Haftpflichtversicherungen astronomische Steigerungen aufweisen.
Doch Rösler ist hier voll auf der Seite der Betroffenen. Die jetzige Situation sei "keine Befriedigende". Deshalb werde auf Kosten seines Ministeriums ein Gutachten in Auftrag gegeben. Gegebenenfalls müsse man "die Haftpflichtprämien im Gesetz verankern", sagt er.
Rösler, der junge Mann mit dunklem Anzug und weißem Hemd ohne Krawatte, wirkt, eingerahmt von Koppe und Fraktionschef Uwe Barth, als sei er mal eben auf einen Feierabendplausch vorbeigekommen. Aber der Eindruck trügt gewaltig. Nicht nur, dass er an diesem Abend nicht sofort wieder gen Berlin entschwindet, sondern noch einen Abstecher zu den Thüringen-Kliniken in Saalfeld macht. Rösler muß sich, während draußen im Regen vor dem Landtag knapp zwei Duzend Demonstranten gegen eine "Zwei-Klassen-Medizin" protestieren, auch Fragen nach seiner eigenen neu aufgemachten Baustelle stellen: der Reform der Pflegeversicherung.
Mit der geplanten Kapital gedeckten Finanzierung verabschiede Rösler sich bei der Pflege auch aus der solidarischen Finanzierung, ärgert sich beispielsweise der Sozialexperte der Linken-Fraktion, Jörg Kubitzki. "Die Absicherung des Pflegerisikos wird zur Privatangelegenheit jedes Einzelnen. Damit wächst das Risiko für die Versicherten. Im Falle von Finanzkrisen ist ihr Geld futsch", so der Abgeordnete.

SPD: Wir brauchen jetzt zunächst mehr Geld im System

Auch der sozialpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, David Eckardt, erteilt Röslers Plänen eine klare Absage. "Diese Zusatzversicherungen würden erst in 30 Jahren Rendite abwerfen. Wir brauchen aber zum heutigen Zeitpunkt mehr Geld im System", sagt Eckardt und verweist auf steigende Kosten im Pflegebereich und eine immer größere Anzahl an Pflegebedürftigen. "Besonders Geringverdiener können sich zusätzliche private Pflegeversicherungen nicht leisten. Einkommensschwache werden also erneut benachteiligt", erläutert Eckardt.
Rösler pariert derartige Vorwürfe souverän. "Man kann nur über Dinge reden, die es schon gibt", sagt er. Zurzeit stehe aber wohl eher die Kritik als eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Thema im Vordergrund. Aus seiner Sicht ist eine Reform der Pflege noch dringlicher als die des Gesundheitswesens.
Aber warum hat es den Minister eigentlich ausgerechnet nach Thüringen verschlagen? Weil die Landtagsfraktion in den vergangenen Monaten sehr engagiert gearbeitet habe, sagt Rösler. Leistung solle sich eben lohnen.


17.11.2010 TLZ - Thüringische Landeszeitung